Die erste geschlossene Darstellung Rudolf Steiners zur Frage nach dem Wesen des Menschen findet sich in dem 1904 veröffentlichten Buch: Theosophie. Einführung in übersinnliche Welterkenntnis und Menschenbestimmung (Berlin 1904)-
Dieser Titel mag befremdlich erscheinen für die Kenner der Anthroposophie, weil die theosophische Bewegung sich doch erheblich von der anthroposophischen Bewegung unterscheidet. Der Titel des Buches wurde aber beibehalten, obwohl sich Rudolf Steiner 1910 von der theosophischen Bewegung trennte und deren deutsche Sektion unter dem Namen "Anthroposophische Gesellschaft" weiterführte.
Die einfachste mir bekannte Unterscheidung der beiden Bewegungen findet sich in dem 1. Vortrag des Buches "Anthroposophie, Psychosophie, Pneumatosophie" (Gesamtausgabe 115) aus dem Jahre 1909, in dem Rudolf Steiner die naturwissenschaftliche Anthropologie, die Theosophie und die Anthroposophie etwa folgendermaßen unterscheidet: Die naturwissenschaftliche Anthropologie nimmt eine Perspektive auf den Menschen ein, die ihn von unterhalb des Erdbodens betrachtet. In der modernen Philosophie nennt man das die "Bottom-up-Perspektive"- Die Theosophie lässt sich im Unterschied dazu wie eine Perspektive beschreiben, die den Menschen von den höchsten Gipfeln des Geistes aus betrachtet. In der modernen Philosophie nennt man das die "Top-down-Perspektive". Anthroposophie nimmt einen mittleren Standpunkt zwischen den hier charakterisierten ein. Anthroposophie verurteilt also weder den Standpunkt der naturwissenschaftliche Anthropologie, noch den der Theosophie, sondern verbindet deren Gesichtspunkte zu einer eigenen Perspektive. Dies ist auch der Grund, warum ich selbst ein Anthroposoph bin: Weder die Einseitigkeit der naturwissenschaftliche Anthropologie, noch die Einseitigkeit der Theosophie kann meinen Wissensdurst befriedigen!
Das Wesen des Menschen
Was ist das Wesen des Menschen? Diese Frage hat den Menschen beschäftigt, solange es ihn auf der Welt gibt. Das Stellen dieser Frage unterscheidet den Menschen nicht nur von allen Wesen, die die Natur soweit hervorgebracht hat, sondern ihre Beantwortung ist auch dafür entscheidend, wie wir als Menschen miteinander umgehen, wie wir unsere Gesellschaft, unser Rechtsleben, und nicht zuletzt auch unsere Medizin gestalten.
Vorbemerkung zum Begriff der übersinnlichen Welterkenntnis:
Durch übersinnliche Erkenntnisse gelangte Rudolf Steiner dazu, innerhalb der menschlichen Wesenheit neun verschiedene Glieder zu unterscheiden: je drei leibliche, seelische, und geistige Wesensglieder. Diese neunfache Gliederung des Menschenwesens wurde nicht erstmals durch Rudolf Steiner, sondern nach Wissen dieses Autors in einer etwas einfacheren Form durch Alfred Percy Sinnet in dem Buch: "Esoteric Buddhism" veröffentlicht (5. Aufl. Savage 1885). Zwar wurde sie durch übersinnliche Wahrnehmungen gewonnen, über die nicht jeder Mensch verfügt. Dennoch lässt sich die Wahrheit dieser Gliederung mit den Mitteln des vorurteilsfreien Denkens überprüfen, da das Denken als solches schon eine übersinnliche Form der Wahrnehmung ist: Gedanken haben keine physische Existenz, und dennoch können wir ihren geistigen Inhalt mit Hilfe des Denkens symbolisch wahrnehmen. Im Denken ist uns also die unterste Stufe eines übersinnlichen Wahrnehmens gegeben. Auf dieser untersten Stufe des übersinnlichen Wahrnehmens können wir ein Übersinnliches in seiner symbolischen Gedankenform wahrnehmen. Und ebenfalls auf dieser Stufe können wir alle mitgeteilten Gedanken anhand unserer Wahrnehmungen und Erfahrungen auf ihren Wahrheitsgehalt prüfen.
In diesem Sinne werden im folgenden Ergebnisse der übersinnlichen Forschung (Anthroposophie) Rudolf Steiners der Überprüfung anheim gestellt:
A. Die leibliche Wesenheit des Menschen
1.Der physische Leib
Mit seinem physischen Leib hat der Mensch Anteil an der mineralischen Welt. Nur dieser physische Leib ist, insofern er mit mineralischer Substanz ausgefüllt ist, und also einen Raum einnimmt und ein Gewicht hat, sinnlich wahrnehmbar und messbar.
Anmerkung:
Erst im 19. Jahrhundert erlangte die naturwissenschaftliche Medizin ihre heutige Vormachtstellung. Dies geschah dadurch, dass sich führende Wissenschaftler zusammenschlossen, um alles aus der Medizin zu entfernen, das sich nicht der materialistischen Wissenschaftsmethode unterwirft.
Was ist das, die "materialistische Wissenschaftsmethode"?
Emil Du Bois Reymond, einer der führenden Naturwissenschaftler jener Zeit, fasste die Ziele der "materialistischen Wissenschaftsmethode" in der folgenden Weise zusammen: ". . . wir haben uns verschworen, die Wahrheit geltend zu machen, dass im Organismus keine anderen Kräfte wirksam sind, als die gemeinen physikalisch-chemischen . . . " (E. Du Bois Reymond: Jugendbriefe von Emil Du Bois Reymond an Eduard Hallmann. Berlin 1918).
Dass aber der menschliche Organismus nicht nur einen Raum einnimmt und ein Gewicht hat, sondern auch lebt, wächst und sich fortpflanzt, das lässt sich beim besten Willen nicht aus den "gemeinen physikalisch-chemischen Kräften" erklären. Allzu gut ist ja bekannt, was sich schon sehr bald nach dem Eintritt des Todes ereignet: Der Organismus nimmt die Leichenstarre an, und zerfällt sodann infolge der Leichenzersetzung in die physischen Substanzen, aus denen er sich im Verlauf seines Lebens aufgebaut hat. Offenbar sind also die Eigentendenzen der "gemeinen physikalisch-chemischen Substanzen" durchaus im lebenden Organismus vorhanden. Aber sie folgen, solange der Organismus lebt, eben gerade nicht den "gemeinen physikalisch-chemischen Kräften", sondern den Kräften und Regeln, die innerhalb der Strukturen des lebendigen Organismus wirksam sind.
Was ist das: Der lebendige Organismus?
Gegen Ende des 19. Jahrhunderts kam eine biologische Denkrichtung auf, die sich genötigt sah, so etwas wie eine "Lebenskraft" im lebendigen Organismus nicht nur des Menschen, sondern auch der Pflanzen und Tiere zu vermuten. Diese Denkrichtung wurde als "Vitalismus" bezeichnet, weil sie allem Lebendigen eine hypothetische "Lebenskraft" unterstellte.
Rudolf Steiner hat jedoch die Existenz einer solchen rein hypothetischen "Lebenskraft", wie sie die "Vitalisten" forderten, stets abgelehnt, weil sie von den "Vitalisten" als eine Kraft vorgestellt wurde, die den "gemeinen physikalisch-chemischen Kräften" analog ist. Statt dessen teilte er aus seiner übersinnlichen Wahrnehmung mit, dass allen Phänomenen des Lebens kosmische Wirkungen zugrundeliegen, die in jedem Lebewesen zu einer leibartigen Struktur zusammenwirken, die Rudolf Steiner als den "Lebens-, Bildekräfte- oder auch Ätherleib" bezeichnete. Dabei hielt er speziell die Bezeichnung "Ätherleib" für notwendig, weil sie in der esoterischen Tradition schon immer in Gebrauch war, und offenbar für den Geistesforscher die Kontinuität mit der esoterischen Tradition ebenso unverzichtbar ist, wie die akademische Tradition für den Akademiker.
2. Der Ätherleib des Menschen.
Wenn wir an die unterschiedlichen Gewebe und Zellen denken, aus denen zum Beispiel das Antlitz des Menschen, aber letztlich ja seine ganze Gestalt zusammengesetzt ist, oder daran, wie dieses Antlitz im Lebenslauf des Menschen sich über achtzig oder gar hundert Jahre hinweg kontinuierlich wandelt, oder wenn wir daran denken, wie eine Wunde nach dem Nähen oder ein Knochenbruch heilt, sobald wir dafür sorgen, dass er durch Schienung zur Ruhe kommt, dann sind wir geneigt, dies für eine Wirkung der Gene zu halten. Aber diese Annahme ist nur in der Weise berechtigt, dass wir uns unter den "Genen" nicht einzelne Moleküle, sondern ein ganzheitliches System vorstellen, innerhalb dessen alles mit jedem zugleich umfassend und beweglich, das heißt in seiner Ganzheit räumlich und zeitlich wandelbar in Wechselwirkung steht. Wir müssen uns also unter "Genetik" die Wissenschaft vom Lebendigen in einem Entwicklungszustand vorstellen, den sie de facto noch gar nicht erreicht hat.
Und noch rätselhaftere Beispiele gibt es: Wenn man ein Organ verpflanzen will, muss man eine sehr präzise Kenntnis der anatomischen Verhältnisse haben, sonst passt eben das neue Organ nicht dorthin, wo man es "einpflanzen" will. Nun gibt es in der modernen Krebstherapie eine Methode, die zumindest ihrem Namen nach genau diese anatomische Präzision erwarten lässt: Akute Leukämien werden mittels der sogenannten "Knochenmarktransplantation" behandelt. Was spielt sich aber im Einzelnen ab? Grob gesagt wird dabei zunächst das Knochenmark des Patienten durch Chemotherapie abgetötet. Dann werden ihm die Knochenmarkzellen eines geeigneten Spenders intravenös eingespritzt. Diese Zellen finden "von sich aus", das heißt "wie von Geisterhand geführt" ihren Weg in die Knochen des Empfängers und ersetzen dort das bisherige, künstlich abgetötete Knochenmark. Hier ist es also nicht die Präzision des Operateurs, sondern die Prozessordnung des Empfänger-Organismus, die die "Transplantation" überhaupt erst ermöglicht.
Wollen wir ernsthaft die Desoxyribunukleinsäure (DNS), genauer: die DNS-Moleküle, aus denen die "Gene" physisch bestehen, als die Ursache dafür nehmen, dass die Knochenmarkspenderzellen von der Injektionsstelle aus ihren Weg in die Knochenhöhle des Empfängers finden? Wenn wir dies tun, dann kommen wir nicht ohne den Begriff der lebendigen Organismus-Gestalt aus. Wir benötigen also einen Begriff, der die räumliche, und auch die zeitliche Prozessordnung lebender Organismen mindestens so umfasst, wie beispielsweise Ideen und Grammatik die Ordnung der Buchstaben bestimmt, die unsere Bücher füllen. Wenn wir also die chemische Substanz der Gene schon für die hinreichende Ursache des lebendigen Organismus halten, dann ist dies nicht vernünftiger als die Vorstellung, dass der wesentliche Inhalt von Büchern die Druckerschwärze der Buchstaben ist. Denn der Inhalt der Bücher ist ebenso wenig materiell, wie die räumliche und zeitliche Ordnung der Prozesse des lebendigen Organismus, die durch "Gene" von den Vor- auf die Nachfahren übertragen wird.
Wie wir das geistige Band der nur etwa 20 Zeichen, aus denen unser Alphabet besteht, als "Sprache" bezeichnen, vermittels derer alles mitteilbar ist, was schriftlich zwischen den ersten Schriftwerken der Menschheit, und dem neuesten New Yorker Telefonbuch niedergelegt wurde, so müssen wir also auch die "Schrift" der Gene als ein geistiges Band begreifen. Allerdings wird in der "Schrift" der Gene unendlich viel mehr zusammengehalten als nur die Reflexionen, Bezeichnungen und Erinnerungen der Menschheit, mögen uns diese in ihrer Gesamtheit auch noch so gigantisch erscheinen. In der Sprache der Gene steckt der Geist für das reale, physische Leben der ganzen Menschheit! Auch wenn wir diesen Geist in der modernen, computer-orientierten Sprechweise als "Programm" bezeichnen, behalten wir die Silbe "Gramm", die schon im Wort "Grammatik" die Stellung des Wortes einnimmt.
"Im Anfang war das Wort", sagt uns also nicht nur das Johannes-Evangelium, sondern auch die moderne Genetik.
Dieses geistige Band der Genetik besteht allerdings nicht aus Desoxyribunukleinsäure (DNS), sondern wenn überhaupt, dann aus den spezifischen Sequenzen dieser Säuremoleküle (DNS-Moleküle). Diese spezifischen Sequenzen der DNS-Moleküle enthalten die "Grammatik", die der lebendige Organismus braucht, um die eigene Entwicklung in die Reihe seiner Vor- und Nachfahren zu stellen. Die DNS selbst ist also nicht der Geist, sondern der Träger eines Geistigen. Dennoch ist ja ebenfalls schon bekannt, dass die "Gene" der DNS nur in der "Ruhephase" des Zellkernes wirksam sind, also nur dann, wenn die Zelle sich nicht teilt. Mit anderen Worten: Nur wenn die Zelle sich nicht vermehrt, sondern einfach nur "lebt", ist der Geist der DNS-Sequenzen wirksam. Die Vorgänge der Zellteilung andererseits werden im Unterschied dazu nicht vom Zellkern, sondern aus der Peripherie der Zelle, aus dem Zellplasma gesteuert. Die Einflüsse des Zellplasmas auf die "Gene" des Zellkernes werden neuerdings als ein noch weitgehend unbekanntes Wissensgebiet, als "Epigenetik" der klassischen "Genetik" gegenübergestellt. Wie darüber hinaus das Zusammenspiel von Zellkern und Plasma, und letztlich das Zusammenspiel aller Zellen und Organe geregelt wird, ist noch weitgehend unbekannt. Die Gesamtheit der Lebensprozesse des Organismus wird von der Geisteswissenschaft Rudolf Steiners als der "Äther- oder auch Lebensleib" bezeichnet. Der "Ort" dieses "Äther- oder auch Lebensleibes" ist nicht die physische Welt, ganz analog dazu, wie ja auch die Gedanken, Bezeichnungen und Erinnerungen der gesamten Menschheit, soweit sie gedruckt vorliegen, nicht in der physischen Druckerschwärze, sondern im Bewusstsein der Menschen beheimatet sind, die diese Schriften lesen. Doch anders, als die Gedanken, Bezeichnungen und Erinnerungen der Menschheit, die ja keine Realität besitzen, sondern nur Realitäten widerspiegeln, sind die lebendigen "Gedanken" des "Äther- oder Lebensleibes" das, was man in der heutigen Wissenschaftssprache als die Programme lebender Organismen bezeichnet. Die "Heimat" des "Ätherleibes" ist also ein geistiger Kosmos, der übersinnlich den physischen Kosmos durchdringt.
Der Begriff eines "geistigen Kosmos" und der "kosmischen Wirkungen", aus denen der individuelle Lebens- oder Ätherleib jedes Lebewesens zusammengefügt ist, stellt die an der Sinneswelt geschulte Vernunft vor ungeahnte Schwierigkeiten. Beinhaltet er doch, dass es eine "geistige Welt" gibt, die sich mit der physischen, sinnlich wahrnehmbaren Welt durchdringt, ohne Raum und zeit einzunehmen. In dieser ist Alles mit Jedem verbunden, wohingegen die Gegenstände und Prozesse des physischen Kosmos räumlich und zeitlich von einander getrennt sind und daher Raum und Zeit einnehmen.
Ähnlich, wie unsere "Gedankenwelt" aus Gedanken besteht, so besteht auch die "geistige Welt", von der in der "Geisteswissenschaft" (Anthroposophie) Rudolf Steiners die Rede ist, aus Gedanken. Aber während die gewöhnlichen Gedanken, die wir an unseren Sinneswahrnehmungen und Erinnerungen bilden, nur Spiegelungen der Realität, aber nicht diese selbst sind, sind die "Gedanken", aus denen die "geistige Welt" besteht, reale, man kann auch sagen "lebendige", reales Leben schaffende Kräftewirkungen. Während also unsere Gedanken von der Realität, die sie spiegeln, abgezogen sind, ist in der "Ätherischen Welt", die den "untersten" Bereich des "geistigen Kosmos" erfüllt, Alles mit Jedem verbunden, und Alles und Jedes eine wirksame Kraft.
Der Begriff des "Ätherleibes" stammt von Aristoteles, dem letzten der großen griechischen Philosophen. Seine "Schauung" war offenbar noch möglich in der Zeit des klassischen Griechentums, ist jedoch schon damals für den größeren Teil der Menschheit, und seitdem vollständig verloren gegangen. Nur in der "Astrologie" sind noch letzte Überlieferungen dieses alten Wissens vom Zusammenhang des Menschen mit einem geistigen Kosmos bruchstückhaft erhalten. Da diese Bruchstücke aber nicht mehr eingebettet sind in ein allgemeines Wissen vom geistigen Kosmos, ist ihre Interpretation mehr oder weniger der Willkür anheim gestellt.
Den Ätherleib können wir nicht sinnlich wahrnehmen, sehr wohl aber seine Wirkungen, z.B. dann, wenn wir morgens mit frischen Kräften und frischem Mut aus dem Schlaf erwachen, obwohl wir abends müde, und oft auch ratlos ins Bett gegangen sind. Die Fähigkeit des Ätherleibes, den physischen Leib zu regenerieren, nennen wir "Erhaltung", im Gegensatz zum "Wachstum", das über die bloße Erhaltung hinausgeht. Diese zweite Fähigkeit des Ätherleibes erleben wir besonders eindrucksvoll beim "Bodybuilding", wenn wir unsere Muskeln systematisch ermüden, und diese darauf, - zumeist erst nach Wochen -, mit Wachstum reagieren. Die größte Kraft des Ätherleibes offenbart sich in der "Fortpflanzung". Und wie sehr diese Fähigkeit mit den Rhythmen und damit den zeitlichen Strukturen des ganzen Kosmos verbunden ist, das zeigt uns das saisonale Fortpflanzungsverhalten der Millionen von Organismenarten in der uns umgebenden Natur. Dies wird, allerdings in verinnerlichter, aus der Natur emanzipierter Form, auch heute noch von jeder Frau in ihrem "Monatszyklus" erlebt.
Den "Ätherleib" hat Rudolf Steiner, weil er der Hervorbringer des Physischen Leibes ist, vielfach auch als den Bildekräfteleib bezeichnet.
3. Der Astralleib (Seelen- oder Empfindungsleib) des Menschen
Die Fähigkeit, Wahrnehmungen und Empfindungen als die Grundbausteine des "Bewusstseins" zu haben, hat der Mensch mit den Tieren gemein. Leibliche Grundlage dafür ist die "Empfindungsorganisation", die von Rudolf Steiner in Anknüpfung an Parazelsus auch als "Astralleib" bezeichnet wird. Der Astralleib, und damit auch das Bewusstsein des Menschen unterscheidet sich allerdings sehr deutlich vom Empfindungsleib des Tieres durch die Fähigkeit des Menschen, sich selbst an vergangene Erlebnisse zu erinnern. Diese Fähigkeit hat das Tier nicht und ist deshalb stets darauf angewiesen, durch äußere Sinnesreizes an frühere Erlebnisse erinnert zu werden. Seine Fähigkeit, sich selbst an vergangene Erlebnisse auch ohne äußeren Anlass zu erinnern, verdankt der Mensch dem inneren Wesenskern seines Astralleibes, dem Selbst, das sich durch Verwandlung des Atralleibes eine Seelenhülle schafft.
Mit dem Begriff des Astralleibes verbindet sich nicht nur die seelische Innerlichkeit, sondern auch der Hinweis auf die Sternenwelt, genauer auf den Tierkreis, aus dem die besonderen Formkräfte des menschlichen (und des tierischen) Leibes stammen. Diese besonderen Formkräfte werden mittels des Ätherleibes auf den physischen Leib übertragen.
4. Die "Ich - Organisation" des Menschen
Insofern der Mensch ein aufrecht gehendes, sich ohne äußeren Anlass selbst erinnerndes, sprachbegabtes und moralisch kompetentes Wesen ist, bildet er auch in leiblicher Hinsicht ein eigenes Naturreich. Die leiblichen Grundlagen dafür werden von Rudolf Steiner als die "Ich - Organisation" des Menschen zusammengefasst. Die Ich-Organisation ist wie der Ätherleib und der Astralleib eine im physischen Leib des Menschen tätige, übersinnliche Struktur. Da aber die Ich-Tätigkeit im heutigen Menschen als dessen jüngstes und unvollkommenstes, gewissermaßen vorerst nur keimhaft vorhanden ist, hat sie noch nicht den Status der Vollendung, der ihr den Namen "Leib" eintragen könnte. Daher der Ausdruck "Ich-Organisation".
Während also der physische Leib evolutiv das älteste und vollendetste Wesensglied des Menschen ist, ist die "Ich - Organisation" sein evolutiv jüngstes und unvollkommenstes Wesensglied. "Vollendung" bedeutet aber in diesem Zusammenhang immer zugleich auch, dass die zukünftigen Entwicklungsmöglichkeiten des physischen Leibes relativ gering sind, wohingegen die "Ich - Organisation" gerade wegen ihrer Unvollkommenheit von allen Wesensgliedern des Menschen das größte Zukunftspotenzial besitzt. So lässt sich die leibliche Wesenheit des Menschen vierfach differenziert beschreiben.
B. Die seelische Wesenheit des Menschen
Wie bereits angedeutet, bestehen die kleinsten Bausteine des menschlichen Bewusstseins aus den sinnlichen Wahrnehmungen, die durch den empfindungsfähigen Teil des Körpers, den oben erwähnten Astralleib vermittelt werden. Diese kleinsten Bausteine des menschlichen Bewusstseins werden durch die Tätigkeit des Sich-Selbst-Erinnerns zum untersten Glied des Seelischen Lebens des Menschen, der so genannten "Empfindungsseele" geformt. Das oberste Glied des Seelischen andererseits ist der Teil des Seelenlebens, der von der geistigen Wesenheit des Menschen aus beeinflusst wird. Dieses höchste Glied der menschlichen Seele hat bereits die Fähigkeit, sich dem eigenen Selbst wie ein Fremder gegenüber zu stellen, und somit moralische Verantwortung zu übernehmen. Man nennt daher dies höchste Glied der menschlichen Seele die "Bewusstseinsseele". Zwischen diesen Extremen findet sich das menschliche Seelenleben in sich selbst, im gemüthaften Verarbeiten der Sinnesdaten und Gefühle zu dem Gewebe der Gedanken und bildet dadurch das Seelenglied der "Gemüts- oder Verstandesseele".
Wie diese drei Glieder der Seele des Menschen zusammenwirken, sei an einem Beispiel erläutert:
1. Die Empfindungsseele.
Der Mensch benötigt (wie auch das Tier) intakte Sinnesorgane und eine wache Seele, um die Gegenstände der Welt wahrnehmen zu können. Insofern ist z.B. die Farbe "Rot" nicht, wie heute vielfach gedacht wird, eine physische, sondern eine seelische Tatsache. Denn wenn wir diese Farbe technisch reproduzieren, so können wir dies nur dadurch "beweisen", dass wir abermals "Rot" empfinden, wenn wir diese technisch reproduzierte Farbe sehen. Also macht der Begriff des "Rot" nur als Empfindungsbegriff einen Sinn. Das "Rot", das wir sinnlich "erleben", gibt es nirgends sonst in der Welt, außer in unserem Bewusstsein.
Hier könnte so manchem naturwissenschaftlich orientierten Zeitgenossen der Einwand kommen, dass man die Farbe "Rot" auch an ihrem Frequenzspektrum identifizieren könne. Dies Argument ändert aber nichts daran, dass die Farbe "Rot" nur in der Seelenwelt erlebt werden kann. Die Messung eines bestimmten Frequenzspektrum kann nämlich nur die Überzeugung, dass es sich um "Rot" handelt, nicht aber das Erlebnis des "Rot" hervorrufen, für das die Bezeichnung "Rot" das sprachliche Symbol ist.
Den seelischen Inhalt der Sinnesempfindungen bezeichnet Anthroposophie daher als die unterste Stufe des "Bewusstseins".
Zur Welt der Sinne zählt allerdings nicht nur, was die Außenwelt, sondern auch, was die eigene leibliche Innenwelt bietet: So haben wir nicht nur "Außensinne", wie zum Beispiel das Sehen und das Hören, sondern auch "Innensinne", mit deren Hilfe wir Hunger, Durst, und bis zu einem gewissen Grad auch Lebensfrische und Ermüdung wahrnehmen. Der Gleichgewichtssinn steht vermittelnd zwischen der Außen- und Innenwahrnehmung. Zwar bezeichnet man traditionell das Innenohr als das "Gleichgewichtsorgan", doch genauer betrachtet ist es nur der Sitz für die Lage- und Bewegungswahrnehmung. Unser Gleichgewicht können wir nämlich nur mit dem ganzen Körper feststellen, indem wir wahrnehmen, ob unser Schwerpunkt noch innerhalb, oder schon außerhalb der Kippkanten liegt: Liegt unser Schwerpunkt noch innerhalb der Kippkanten, sind wir im Gleichgewicht; liegt er außerhalb, sind wir aus dem Gleichgewicht und es besteht die Gefahr des Kippens.
In der Betätigung der Sinne haben wir also die unterste Stufe des "Seelischen" oder "Bewusstseins", da diese Bewusstheit noch eng mit dem Körper verbunden ist. Da wir als Menschen aber schon auf dieser untersten Stufe in der Lage sind, uns eine Vorstellung von unseren Sinneswahrnehmungen zu machen, und diese Vorstellungen in der Erinnerung zu bewahren, wird diese unterste Stufe des Seelischen des Menschen in der Anthroposophie als "Empfindungsseele" bezeichnet.
Die Fähigkeit, Sinnesempfindungen im Bewusstsein auch dann noch zu bewahren, wenn die ursprüngliche Sinnesempfindung nicht mehr vorhanden ist, ist nur dem Menschen, nicht jedoch dem Tier gegeben. In der Menschheitsevolution entstand sie dadurch, dass eine kollektive Arbeit des menschlichen Ich am Astralleib stattfand. Dies war nur mit Hilfe der kollektiven Menschheitskulturen möglich und ist deren eigentliche Funktion. Im Vergleich dazu sind die materiellen Verbesserungen der Überlebenschancen der Menschheit durch kollektive Kulturprozesse aus anthroposophischer Sicht von untergeordneter Bedeutung für die Menschheitsevolution. Die Chaldäisch-Ägyptisch-Hebräische Zeit ist die Geschichtsepoche, in der nach Rudolf Steiner die kollektive Entwicklung der "Empfindungsseele" stattfand. Diese geisteswissenschaftliche Aussage wird äußerlich dadurch gestützt, dass sie mit dem ersten Auftreten der Schrift zusammenfällt, denn welche noch wichtigere evolutive Aufgabe könnte die Entwicklung der Schrift gehabt haben, als die, dass sie der Menschheit ermöglicht hat, sich aus ihrer Abhängigkeit von den Sinneseindrücken zu emanzipieren?
Hier könnte wiederum dem naturwissenschaftlich orientierten Zeitgenossen der Einwand kommen, dass wir doch gar nicht wissen können, ob Tiere fähig sind, Sinneseindrücke im Gedächtnis zu bewahren und später willkürlich zu erinnern? Doch ein solcher Einwand beruht auf einem unklaren Verhältnis zum Seelischen. Tiere haben durchaus "Gedächtnis", denn sonst wären sie unfähig, aus Erfahrungen zu lernen. Aber wir können zugleich aus der Beobachtung entnehmen, dass Tiere stets auf die Sinneseindrücke angewiesen bleiben, durch die sie an frühere Erlebnisse erinnert werden. Ohne solche äußeren Erinnerungsreize sind sie unfähig, das Gelernte in Verhaltensänderungen umzusetzen. Wir stellen des weiteren durch gezielte Beobachtung fest, dass sie aber unfähig sind, sich selbst zu erinnern, das heißt, Verhaltensänderungen unabhängig von dem erneuten Auftreten der diese Verhaltensänderung prägenden Sinneswahrnehmungen zu reproduzieren. Die Abhängigkeit der Lernprozesse des Tieres vom Erinnerungsreiz bezeichnet man auch als "Konditionierung". Tiere haben also "Gedächtnis", aber nicht die Fähigkeit des "Sicht-Selbst-Erinnerns", womit zugleich die einfachste und grundlegendste Tätigkeit des "Selbst" oder auch "Ich" innerhalb des Lebens der Seele bezeichnet ist.
Hier scheint dann noch der Einwand möglich, dass man aber von Großaffen (so genannte Menschenaffen) weiß, dass sie ein besseres Kurzzeitgedächtnis als der Mensch haben. Doch dieser Einwand beruht abermals auf ungenauem Beobachten: Zwar können Großaffen die ehemalige Lokalisation von Gegenständen auf einem Bildschirm besser reproduzieren als der Mensch, wenn das Bild gerade eben abgeschaltet wurde. Aber dennoch gibt es keine Hinweise aus dem Verhalten dieser Tiere, dass sie befähigt sind, noch nach Jahren und ohne äußeren Anlass an vergangene Ereignisse zu denken, das heißt, sich "selbst" zu "erinnern".
2. Die Gemüts- oder Verstandesseele
Mit Hilfe seines Verstandes verarbeitet der Mensch die auf der Grundlage seiner "Empfindungsseele" gewonnenen Sinnesdaten und entwickelt daraus sein "Ich - Gefühl" oder auch "Ich - Bewusstsein". Das dabei vornehmlich wirksame Seelenglied wird in der Anthroposophie als "Gemüts- oder Verstandesseele" bezeichnet.
Die Verbindung von Gemüt und Verstand zu einem einzigen Seelenglied mag auf den ersten Blick befremdlich wirken, da sich im traditionellen Verständnis Gemüt und Verstand gegenseitig eher aus- als einzuschließen scheinen. Und in der Tat: Indem das Gemüt mehr der leiblichen Bequemlichkeit zuneigt, der Verstand hingegen bereits vom Freiheitsdrang des Geistigen beflügelt wird, ist das "Ich - Gefühl" des Menschen von je her ein in sich selbst zwischen egoistischer Weltflucht und erkennender Weltzuwendung Gespaltenes.
Wie Gemüt und Verstand durch ihren dialektischen Widerspruch den Menschen dazu veranlassen, sich im Geschichtsprozess rastlos zu verirren und doch immer wieder kreativ zu finden, das lässt sich an einem klassischen Beispiel verdeutlichen: Der Handel mit Sklaven aus Afrika schien den Engländern zunächst im größtmöglichsten Umfang Wohlbehagen und Wohlstand zu bieten. Doch just diese Engländer waren es auch, die den Sklavenhandel als erste verbaten und bekämpften. Was war geschehen? Die Verstandesseele hatte zwar diesen lukrativen Handel ausgeheckt, und die Gemütsseele hatte daraus ihr Wohlbehagen gezogen. Doch plötzlich ging den Engländern auf, dass es ja Menschen waren, die sie als Sklaven verkauften. In diesem Augenblick begannen sie, ihre eigene Seelentätigkeit wie von außen zu betrachten und konnten von da ab ihr eigenes Verhalten moralisch nicht mehr tolerieren. Es war dies einer der Geburtsmomente der "Bewusstseinsseele", die zuerst die Menschenrechte, dann den Pazifismus, und zuletzt die Ökologie-Bewegung gebar.
3. Die Bewusstseinsseele.
Das Seelenglied, mit dessen Hilfe die Menschheit den soeben am Beispiel des Sklavereiverbotes geschilderten Standpunkt gegenüber der eigenen Bewusstseinstätigkeit zu erringen und moralische Verantwortung zu übernehmen vermag, wird in der Anthroposophie als "Bewusstseinsseele" bezeichnet. Weitere historische Beispiele für die Bewusstseinseele des Menschen sind die Friedens- und die Ökobewegungen unserer Zeit, denn auch in ihnen stellt sich das menschliche Bewusstsein auf einen Standpunkt außerhalb seiner selbst und erweist sich so als durch ein Geistiges geführt, wie die "Empfindungsseele" durch die Leiblichkeit der Sinnesorgane geführt ist, und sich die Gemüts- und Verstandesseele in ihrem eigenen System der logischen Schlüsse und Rechtfertigungen heimisch macht.
C. Die geistige Wesenheit des Menschen
Dass der Mensch an sich selbst verändernd wirken kann, erweist, dass er auch eine geistige Wesenheit ist. Wie der Mensch durch kollektives Kulturschaffen Veränderungen in seiner Seelentätigkeit bewirken kann, wurde im Vorangegangenen schon am Beispiel der kollektiven Erschaffung der Empfindungsseele durch die Erfindung der Schrift, sowie am Entstehen der Menschenrechts-, Friedens- und Ökobewegungen unserer Zeit demonstriert. Wesentlich schwerer ist es, durch Selbsterziehung nicht nur die seelischen, sondern auch die leiblichen Grundlagen des menschlichen Seins zu beeinflussen. Und am schwersten ist dies durch individuelle Selbsterziehung, als deren Ergebnis die geistige Wesenheit des Menschen entsteht. Deshalb sind die entsprechenden Veränderungen vergleichsweise feiner und individueller. Dennoch sei hier der Versuch einer Beschreibung dieser individuell induzierten leiblichen Veränderungen des Menschen gewagt: Die Vorlieben und Geschmäcker des Menschen unterliegen in vielfacher Hinsicht seinen körperlichen Bedürfnissen, mit anderen Worten: sie unterliegen seinen Flüssigkeits-, Nahrungsmittel-, Wärme-, Energie- und sonstigen Bilanzen, wie sie im physischen Körper auftreten, und vom Ätherleib auf den Astralleib, das heißt von der Lebensorganisation auf die Empfindungsorganisation übermittelt werden. Dennoch kann der Mensch im Verlauf seines Lebens durch Selbsterziehung auch Veränderungen an seiner Leiblichkeit bewirken, die ihn z.B. dazu befähigen, Mangelsituationen länger auszuhalten oder zu kompensieren.
Das Geistselbst
Am leichtesten fällt es dem Menschen, solche durch Selbst-Kultur induzierten leiblichen Veränderungen auf den Astralleib, das heißt auf das höchste Leibesglied mittels seiner der Ich - Organisation zu übertragen. Das dabei neu entstehende Geistesglied wird von Rudolf Steiner als das "Geistselbst" bezeichnet. Die Arbeit des Geistselbst am eigenen Astralleib können wir erleben, wenn wir des morgens beim Erwachen bemerken, wie uns bestimmte Ereignisse des vergangenen Tages in neuem, selbstkritischem Licht erscheinen, das uns dazu veranlasst, den Wunsch zu bilden, ähnliche Handlungen in Zukunft besser zu tun.
Lebensgeist und Geistesmensch
Durch die Arbeit des "Ich" am Ätherleib kann als nächst höheres Geistesglied der "Lebensgeist", und durch die Arbeit des "Ich" am physischen Leib das höchste Geistesglied, der "Geistesmensch", entstehen. Als ein Bild für die Tätigkeit dieser beiden höchsten Geistesglieder kann die Lebensgeschichte Christi gesehen werden, die im "Neuen Testament" niedergelegt wurde. Sie zeigt bildhaft die Beeinflussung des Ätherleibes in den geistigen Heilungen und des physischen Leibes in der Auferstehung vom Tode.
Die zuletzt genannte Entwicklung der geistigen Glieder des Menschen findet also nicht mehr kollektiv im Verlauf der Kulturepochen der Menschheit statt, wie dies für die Entwicklung der "Empfindungs-", "Gemüts"- und "Bewusstseinsseele" noch der Fall war. Hier handelt es sich um die Stufen der esoterischen Schulung. Die zuletzt genannte Entwicklung der geistigen Glieder des Menschen kann als solche nur individuell durchlaufen werden.
Wahlarztpraxis
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Die Arzt-Praxis ist seit 1. August 2019 in Niederösterreich in der
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Email: heinzbrettschneider21@gmail.com
Mobiltelefon 0043-6706072827
Das Festnetz habe ich aus Kostengründen aufgegeben
Aber Vorsicht! Auch das mobile Telefonieren hat seine Tücken: Wenn Sie mich anrufen, kann es sein, dass ich gerade nicht physisch in der Lage bin, an das Mobil-Telefon herankomme.
Viele Anrufer sind sich auch nicht bewusst, dass auf ihrem Festnetz-Telefon die eigene Rufnummer zumeist unterdrückt ist. Dann wird Ihre Anrufnummer nicht automatisch gespeichert und ich kann Sie dementsprechend nicht sofort zurückrufen, sondern bin darauf angewiesen, dass Sie mir Ihre Rückrufnummer auf den Anrufbeantworter aufsprechen.
Im Prinzip bin ich aber jederzeit ansprechbar, insbesondere natürlich, wenn Sie in Not sind!