Der Mut zur Heilung ist der Mut zur Selbsterkenntnis des Menschen
"Anthropos" bedeutet "Mensch"; "Sophia" bedeutet "Weisheit", aber auch "Wahrheit"; denn nie kann etwas weise sein, das nicht wahr ist! Andererseits ist "Weisheit" Selbsterkenntnis, im Unterschied zur Erkenntnis der äußeren Natur, wie sie durch die Naturwissenschaften geliefert wird.
Rudolf Steiner, Begründer der Anthroposophie, schlug deshalb vor, "Anthroposophie" mit "Bewusstsein des eigenen Menschentums" zu übersetzen. Damit meinte er, dass man "Anthroposophie" in jeder Hinsicht mit der eigenen Erfahrung zu überprüfen habe, anstatt sie einfach als "allerhöchste Weisheit" zu glauben - Solches hätte das genaue Gegenteil dessen zur Folge, was "Anthroposophie" sein soll.
Was aber ist Wahrheit? - Diese Fragen kann man sich so stellen, dass man die Antwort definiert, zum Beispiel: Die Wahrheit ist dies und das. Das wäre der platonische Weg. Aber man kann sich die Fragen auch so stellen, dass man nicht Definitionen gibt, sondern die Wege zur Antwort beschreibt. Dieser zweite Weg sucht nach den Bedingungen, unter denen man zur Wahrheit kommt, lässt aber die eigentliche Antwort offen, weil diese sich ständig erweitert. Das heißt, man sucht nach einem lebendigen, lebensfähigen Welt- und Menschenverständnis, das noch ständig weiter wachsen kann, wie ein Lebewesen, wie ein menschliches Individuum. Das ist der Weg des Aristoteles, der aristotelische Weg.
Anthroposophie, so will es mir scheinen, soll also ein Übungsweg, ein individueller Weg zur lebendigen Selbst- und Welterkenntnis sein. Deshalb kommen immer wieder Menschen auf die "Anthroposophie" zu, in der Hoffnung, hier eine neue, dem Zeitgeist "unangepasste" Beurteilung, und dadurch eine umso individuellere Fragestellung, Erkenntnis und Lösung ihrer Probleme zu finden.
Was ist der Mensch aus anthroposophischer Sicht?
Der Mensch ist für uns Menschen primär ein seelisches Wesen. Dieses seelische Wesen ist einerseits von seinem Leib, der Natur und der Gesellschaft, andererseits aber auch von seinem Geist abhängig.
Bezügliches des Leibes bekommen wir schon sehr früh in der Schule beigebracht, der Leib sei nur ein besonders komplizierter chemisch/physikalischer Mechanismus und die Natur habe schon längst festgelegt, wie er zu sein habe. Wir bemerken aber dann doch schon bald im Laufe unseres Lebens, dass unsere seelischen Erlebnisse eine ganz eigene "Seelenwelt" erfüllen, die mit den Begriffen, die wir vom Leib haben, nicht erfassbar ist, weil sie jeden Augenblick unseres Leben weiter wächst und nur zum Teil mit der "Seelenwelt" der anderen Menschen vergleichbar ist, obwohl diese in der gleichen Natur und der gleichen Gesellschaft aufwachsen.
Was aber ist der Geist des Menschen?
Dass unsere "Seelenwelt" eine subjektive und eine objektive Seite hat, kann uns dies durchaus zum Rätsel machen. So wird schon seit Jahrhunderten geglaubt, der Mensch sei nur im Wachbewusstsein "geistig". Es sollte uns zum Beispiel stutzig machen, dass wir abends beim Einschlafen noch einen Haufen ungelöster Probleme mit ins Bett nehmen, die sich angesammelt haben, dass sich diese aber schon am nächsten Morgen ganz anders darstellen können. Bei diesen Problemen kann es sich zum Beispiel darum handeln, dass wir ein bestimmtes Musikstück wegen seines vertrackten Rhythmus partout nicht spielen können, oder es liegen zum Beispiel kompliziertere zwischenmenschliche Konflikte im Gemeinschaftsleben vor, die sich aber schon am nächsten Morgen ganz anders präsentieren können.
Mit anderen Worten: Wir legen uns abends ins Bett, schalten das Bewusstsein aus, und sind am nächsten Tage dennoch klüger als zuvor, ohne wissentlich irgend etwas für diesen Fortschritt "geleistet" zu haben. Wie kann das sein? Ist das menschliche Bewusstsein im Tiefschlaf nicht abgeschaltet? Für den französischen Philosoph Rene’ Descartes galt noch im 16. Jahrhundert: „Ich denke, also bin ich!“ – Sollte er sich getäuscht haben? Sind wir möglicherweise auch vorhanden, wenn wir gar nicht denken, sondern schlafen? Eventuell sogar gerade dann noch intensiver vorhanden?
Das sind aus anthroposophischer Sicht Hinweise auf die geistige Natur des Menschen, die wir unbedingt beachten sollten, denn in den von unserem Bewusstsein unabhängigen, das heißt, unseren "unterbewussten" Leistungen offenbaren sich nicht nur die natürlichen Triebe und Instinkte, wie die Psychoanalytiker uns gerne Glauben machen, sondern weit mehr als das offenbart sich dort auch die Existenz eines "Geistigen" im Menschen. Wir sollten sie deshalb lieber als unserem "objektiven" Seelenleben zugehörig betrachten und vom "subjektiven" Seelenleben unterscheiden lernen, da auch noch gar nicht feststeht, wann wir das uns unterbewusste eines Tages doch noch als unser "objektives" Seelenleben wahrnehmen.
Zum Beispiel ist kein erkennbarer Unterschied zwischen den Regeln, nach denen ein Statiker berechnet, wie viele Lastwagen eine Brücke aushält und den Regeln, nach denen die Natur das weiß. So könnte also die Wissenschaft eines Tages Dinge enthüllen, die wir heute noch gar nicht wahrnemen.
Beweisbar ist allerdings die geistige Seite des menschlichen Seelenlebens nach heutigem Wissen nocht nicht, aber weltanschaulich gesehen verwandelt die Leugnung des Geistigen im Menschen diesen von einem hoffnungsfrohen „Anfänger“ in einen würdelosen Roboter, der nur aufnimmt und tut, was man ihm sagt. Andererseits steht ja die Existenz des subjektiven Seelenlebens schon jetzt für den durchschnittlich vernunftbegabten Menschen ohnehin außer Frage .
Wegen der Existenz zweier Seiten des Seelischen, einer objektiven und einer subjektiven, kann man Geist auch unabhängig davon definieren, ob der Mensch ihn hat oder nicht. So gesehen ist der Geist zumindest der Überblick und die Meisterschaft über alle Kräfte der Seele. Oder mit anderen Worten dasselbe ausgedrückt: So gesehen ist der Geist die Meisterschaft der Seele über sich selbst.
Weil dem so ist, vermittelt die Seele zwischen dem objektiven, aber möglicherweise dennoch individuellen Geist und dem ebenfalls objektiven Leib, dessen Verwandtschaft mit der Natur allerdings nichts Individuelles hat, sondern den Menschen gnadenlos an die Erde bindet. Und weil die Seele diese beiden Welten verbindet, das Individuell-Geistige mit dem Gnadenlos-Irdischen, lebt sie zwei Leben im Rhythmus des Schlafens und des Wachens, ein objektives und ein subjektives „Seelenleben“. Diese drei so unterschiedliche Seiten seines Wesens findet also der Mensch vor, wenn er die Erde betritt und gestaltet aus diesen sein Leben, bis er die Erde wieder verlässt:
Geist - Seele - Leib
Wo liegt nun das Problem?
Sofern der Geist die Herrschaft der Seele über sich selbst ist, besteht er ganz und gar aus den Idealen, denen die Seele zustrebt, zum Beispiel dem Ideal der Freiheit, der Gerechtigkeit, der Brüderlichkeit, der Wahrheit, der Schönheit und der Güte, usw. Letztlich ist der Geist ein unendlicher Kosmos von Idealen. Doch Ideale findet die Seele nicht einfach vor in der sinnlichen Wirklichkeit: Nichts Sinnliches ist völlig wahr, nichts makellos schön, nichts absolut gut!
Dies ist die Aporie, mit anderen Worten gesagt: der unlösbare Zwiespalt der Seele: Sie sucht nach ihren Idealen, findet diese aber in der Sinneswelt nicht gratis vor, sondern nur um den Preis des schmerzlichen Erwachens, und muss den Weg zu ihrer Erfüllung durch Irrtum, Schmerz, Geduld und Einsamkeit, ja sogar durch Schlaf, Krankheit und Tod hindurch erst finden.
Angelus Silesius, der Mystiker und Arzt, hat die Situation des nach dem Geistigen strebenden Menschen in sehr tiefsinnige Worte gekleidet:
Ich weiß nicht was ich bin,
Ich bin nicht was ich weiß:
Ich bin ein Pünktchen und ein Kreis.
Dass der Weg über den Kreis gehen muss ist klar: Nur durch die maximale Annäherung der Seele an den unendlichen Geist kann sie seine Wirklichkeit erfahren. Sie muss sich also bis an die äußerste Peripherie des Kosmos ausdehnen, ja, an ihn hingeben, sonst erfährt sie ihn nicht! Warum aber ist auch der Durchgang durch das „Pünktchen“ so notwendig?
Mit dem Pünktchen kann Angelus Silesius nur das absolute Gegenstück dessen gemeint haben, was uns der Kreis sagt. Das Pünktchen ist also die völlige Abwendung der Seele vom Geist, mit anderen Worten: Der absolute Rückzug auf die Begrenztheit des eigenen Seins! Dieser Rückzug, den man in der Philosophie die Subjekt/Objekt-Spaltung nennt, ist die unbedingte Voraussetzung der Freiheit. Für die Seele ist diese Spaltung nur durch die Entfaltung der Antipathie-Kräfte möglich- Sie ist aber dennoch notwendig, weil die Seele ohne kritische Weltabwendung und Selbsbestimmung keine individuelle Verantwortung übernehmen kann. Zugleich aber verstrickt sich die Seele dabei in Wirklichkeitsentfremdung, Einsamkeit und Isolation.
Dies ist ein unlösbarer Zwiespalt, der nur auf eine einzige Art überwunden werden kann: Durch Lernen! - Wir sollten endlich einsehen, dass die menschliche Embryonalzeit nicht bloß 9 Monate, auch nicht bis zum Ende der Stillzeit, auch nicht bis zum 21. Lebensjahr, sondern bis über das irdische Leben hinaus andauert, denn der Mensch ist kein seiendes, er ist ein werdendes Wesen! - Niemand kann deshalb sagen, er sei schon Mensch, sondern nur, er wolle es werden!
So zu denken, ist gewiss ungewohnt, aber dennoch eine wahre Lebenserfahrung. Deshalb hat die Seele nach jedem Erdenleben den Drang oder Wunsch, auf die Erde zurückzukehren. Diesen Wunsch hat sie nicht aus Lust auf neue Abenteuer, sondern aus tiefster Scham darüber, dass sie die Herrschaft über sich selbst immer noch nicht erlangt hat! - Das ist jedenfalls der anthroposophische Blick auf die Motive der menschlichen Seele.
Der Mut zur Heilung ist also auch der Mut zur Wahrheit, der Mut zur Selbsterkenntnis, die die Tatsachen aufdeckt, die man als Säugling, Kleinkind, Schulkind, Jugendlicher Adoleszenter und auch als Erwachsener zwar immer erfährt, aber immer wieder verleugnet, um anerkannt und geliebt zu werden!
Wenn im obigen Text von unseren Idealen die Rede ist, könnte es so scheinen, als stünde dahinter Fanatismus. Aber Fanatismus beruht nur auf der Begrenztheit der Seelenwelt im Unterschied zur Endlosigkeit der Geistwelt: Die Geistwelt enthält zwar unsere Ideale, aber deren Zahl ist grenzenlos!
Die unverwechselbare, unersetzbare Einmaligkeitsnatur dessen, was der Mensch als sich selbst, als sein Ich kennt, erfordert, dass wir darauf verzichten, dem eigenen Ich, aber auch dem Ich der anderen Menschen, irgendwelche Eigenschaften zuzuschreiben. Das wiederum ist zwar einmal mehr ungewohnt. Ohne diesen Verzicht ließe sich aber das Ich des Menschen auf etwas zurückführen, das nicht einmalig, sondern verallgemeinernd vergleichbar ist, wie alle begrifflich erfassbaren Eigenschaften. Das aber widerspräche der unteilbaren Natur des Ich des Menschen. Dennoch finden sich im seelischen Vermögen der Individualität reiche Qualitäten, die sie mit anderen Menschen gemeinsam oder zumindest vergleichbar hat. Solche Eigenschaften sind aber nur Zufälligkeiten. Sie machen die seelische Handlungsfähigkeit des Ich aus, sind seine seelischen Organe, sein ihm intim-schicksalshaft zugehöriges Seelengewand, das sogar teilweise erblich und teilweise durch Umwelt und Erziehung geprägt sein kann, aber nicht mit dem wahren Ich verwechselt werden darf. Diese Gruppenhaftigkeit des Seelenlebens, die ganz offenbar auch leibliche Grundlagen hat, fasst man in der Anthroposophie in dem Begriff des Seelenleibes, Empfindungsleibes oder auch Astralleibes des Menschen zusammen. Der Astralleib des Menschen stellt die Verbindung des Ich zum physischen und zum Ätherleib her. Der Ätherleib ist in der gegenwärtigen akademischen Medizin praktisch unbekannt. Er ist die Quelle der hoch weisheitsvollen, aber nur wenig individuellen, sondern hauptsächlich artgemäßen Lebensprozesse der Erholung, des Wachstums, der Fortpflanzung und der Heilung der Krankheiten des Organismus.
Wir kommen also bezüglich des Geistes zu dem folgenden Fazit: die Seele kann erst dann wissen, was der Geist ist, wenn sie ihm gleicht.
Der Respekt gegenüber dem "wahren" Ich des Menschen erfordert also eine hochgradige Unterscheidungsfähigkeit gegenüber dem, was uns gegenübertritt, wenn wir uns als Menschen, aber auch als Arzt und Patient begegnen. Zunächst lässt sich die Voraussetzung dafür als "Zurückhaltung im Urteil" oder auch als "Toleranz" bezeichnen. Diese Toleranz wird von Rudolf Steiner, dem Begründer der Anthroposophie, in der folgenden Weise charakterisiert :
"Tolerant sein, heißt im geisteswissenschaftlichen (anthroposophischen) Sinne noch etwas anderes, als was man gewöhnlich darunter versteht. Es heißt, auch die Freiheit des Gedankens der anderen zu achten. Einen anderen von seinem Platze wegzuschieben, ist eine Rüpelhaftigkeit. Wenn man aber in Gedanken dasselbe tut, so fällt niemandem ein, dass dies ein Unrecht ist. Wir sprechen zwar viel von der Schätzung der fremden Meinung, sind aber nicht geneigt, dies für uns selbst gelten zu lassen. Ein Wort (eines Menschen) hat für uns fast noch keine Bedeutung. Man hört es und hat es doch nicht gehört. Wir müssen aber lernen, mit der Seele zuzuhören. Wir müssen verstehen, die intimsten Dinge mit der Seele zu erfassen. Immer ist erst im Geiste vorhanden, was später im physischen Leben Realität wird. Unterdrücken müssen wir also unsere Meinung, um den anderen ganz zu hören, nicht bloß das Wort, sondern sogar das Gefühl, auch dann, wenn sich in uns das Gefühl regen sollte, dass es falsch ist, was der andere sagt. Es ist viel kraftvoller, zuhören zu können, solange der andere spricht, als ihm in die Rede zu fallen. Das gibt ein ganz anderes gegenseitiges Verständnis. Sie fühlen dann, wie wenn die Seele des anderen Sie durchwärmte, durchleuchtete, wenn Sie ihr in dieser Weise mit absoluter Toleranz entgegentreten. Nicht bloß Freiheit der Person sollen wir gewähren, sondern völlige Freiheit. Ja, sogar die Freiheit der fremden Meinung sollen wir schätzen! Dies ist nur ein Beispiel für vieles: Derjenige, der dem andern ins Wort fällt, der tut von einer geistigen Weltanschauung aus betrachtet etwas Ähnliches wie der, welcher dem andern physisch einen Fußtritt gibt. Bringt man es dazu, zu begreifen, dass es eine viel stärkere Beeinflussung ist, einem andern ins Wort zu fallen, als ihm einen Fußtritt zu geben, dann erst kommt man dazu, die Bruderschaft bis in die Seele hinein zu verstehen. Dann wird sie eine Tatsache!"
[Rudolf Steiner: Die Welträtsel und die Anthroposophie, 8. Vortrag, Berlin, 23. November 1905]
Hier noch ein Hinweis, wie man die Herrschaft über die eigene Seele, also die Herrschaft der Seele über sich selbst, durch Übungen stärken kann: Die Menschen, die in Europa oder Amerika aufgewachsen sind, haben zumeist nur gelernt, kritisch zuzuhören. Diese Angewohnheit ist ihnen zumeist unsympathisch, aber sie bemerken dabei nicht, dass Antipathie die eine von zwei Kräften ist, derer die Seele überhaupt nur mächtig ist. Die andere, dazu ergänzende Kraft der Seele ist die Sympathie, die völlige, liebende Hingabe. Die Herrschaft über diese beiden Grundkräfte der Seele und damit die Herrschaft über Hass und Liebe übt man am sinnvollsten dadurch, dass man die Kräfte der Sympathie und der Antipathie, die Kräfte des kritischen und des hingebungsvollen Zuhörens rhythmisch im Wechsel entfaltet und sich dabei selbst beobachtet. Durch diese Übung und das Erreichen eines frei verfügbaren Gleichgewichtes der Seele zwischen Hass und Liebe kann man sehr viel bewirken, um einen objektiven, aber dennoch lebensvollen Bezug zur Welt zu gewinnen.
Soweit zum Menschenverständnis und zur Sozialverträglichkeit der Anthroposophie. Was anthroposophische Medizin ist, geht daraus allerdings noch nicht unmittelbar hervor. Dazu fehlen vor allem noch wichtige Gesichtspunkte zum Substanz- und zum Krankheitsverständnis der Anthroposophie.
Zunächst zum Substanzverständnis: Aus dem Schulunterricht sind wir daran gewöhnt, Natursubstanzen in ihrer Gestalt und in ihren sonstigen Eigenschaften für ziemlich konstant und stabil zu halten. Dazu haben wir ja auch die chemischen Formeln so zu lernen, dass mit deren "Design" schon mehr oder weniger auch die Konstanz ihrer Eigenschaften garantiert sei.
Die Begriffe, die uns im Chemie-Unterricht vermittelt werden und mit dem akademischen Substanzverständnis identisch sind, das an den Universitäten gelehrt wird, konstituieren aber im anthroposophischen Substanz-Verständnis nur "irdische" Aspekte der Substanz. Die Bezeichnung "irdisch" ist nötig, weil man schon dann, wenn man lebendige Wesen verstehen will, zusätzlichen einen "kosmischen" Substanz-Begriff benötigt. Ich sage, man benötigt ihn zusätzlich, weil der irdische Substanz-Begriff ja nicht abgeschafft, aber ergänzt werden muss. Der irdische Substanz-Begriff wird benötigt, wenn man tote Dinge verstehen will: Alle chemischen Kräfte, die in den toten Dingen wirksam sind, werden so gedacht, dass sie von winzigen Zentren ausgehen, die früher als "Atome" bezeichnet wurden, heute aber selbst diesen noch zugrunde gelegt werden.
Schon die lebendige Natur auf der uns umgebenden Erde ist aber voller Prozesse und Lebewesen, deren Substanz-Eigenschaften aus der Peripherie des Kosmos gestaltet werden. Dies wird uns schon anhand dessen deutlich, was wir aus dem Schulunterricht über die Pflanzenwelt wissen: Ohne die Pflanzenwelt der Erde gäbe es für uns nichts zu Essen, weil nur Pflanzen die Fähigkeit haben, tote mineralische Stoffe mittels des Sonnenlichtes in Essbares zu verwandeln. Noch erstaunlicher ist aber die Tierwelt: Hier werden sogar seelische Einflüsse zur Ursache dafür, dass sich Substanzeigenschaften verändern: Man denke nur, wie die Tiere sich erwärmen, indem sie sich bewegen, oder wie ein Chamäleon seine Hautfarbe dadurch verändert, dass es seine Augen auf eine andere Umgebung richtet, wie also letztlich alle Pflanzen und Tiere ihre Farben und sonstigen Eigenschaften aus der jeweiligen Peripherie ihres Lebensraumes bekommen.
Der Mensch ist in dieser Richtung noch viel weiter entwickelt: Er bewegt sich, fühlt und empfindet nicht nur, sondern er bildet und spricht Gedanken aus, mit deren Hilfe er die Oberfläche unseres ganzen Planeten neu gestaltet. Das ist nicht durchweg zu seinem Vorteil, denn er hat diesen Planeten schon teilweise unbewohnbar gemacht, aber es ist eine Tatsache!
Die Fähigkeit der Pflanzenwelt zur Photosynthese beruht auf der Tätigkeit eines übersinnlichen (kosmischen) Wesensgliedes, das alle Lebewesen mit den Pflanzen gemein haben, des Ätherleibes. Er war schon in der Antike bekannt, z.B. bei Aristoteles, aber seine Tätigkeit wird bei Tier und Mensch verdeckt durch das "seelische Verhalten". Beim Tier ist das seelische Verhalten vom hier schon besprochenen Astralleib in arttypischer Weise geprägt, beim Menschen dominiert das individuelle "Ich" über den Astralleib und damit auch über den Ätherleib.
Wir müssen also, wenn wir den Menschen verstehen und heilen wollen, den Begriff der "kosmischen" Substanz noch drastisch erweitern! Genau genommen müssen wir einsehen, dass die Pflanzen, indem sie leben und dass die Tiere, indem sie nicht nur leben, sondern auch empfinden und sich bewegen, zwar schon wesentlich "kosmischer" sind, als die toten Substanzen, die wir im Chemie-Unterricht kennen lernen (oder auch nicht kennen lernen, wenn wir aus irgendwelchen Gründen das Lernen individuell verweigern). Aber die Pflanzen und Tiere, mögen sie noch so "kosmisch" scheinen, sind eben doch insofern noch "irdisch", als sie sich dem Leben auf dem Planeten Erde in höchster Vollendung angepasst haben.
Das menschliche Ich hat das nicht, dieses Angepasste. Deshalb haben die französischen "Existenzialisten" (allen voran der französische Philosoph Jean-Paul Sartre) den Menschen schon im letzten Jahrhundert als "das zur Freiheit verdammte Wesen" erkannt. (Wir können das gut verstehen, denn das letzte Jahrhundert war aufgrund der "Freiheiten", die sich bestimmte Tyrannen genommen haben, das hoffentlich schlimmste Jahrhundert aller Zeiten!).
Was ist also der Mensch? - So können wir nun erneut fragen, denn wir sind nun ein ganzes Stück weiter als zuvor: Der Mensch ein Individualist!
Mit anderen Worten: Der Mensch bildet nicht nur die "kosmische" Substanz, die die Pflanzen und Tiere bilden, und damit ja immerhin noch auf unserem Planeten Erde heimisch sind, sondern der Mensch ist wie der Doktor Faustus, über den Mephistopheles schon in der ersten Szene, im „Prolog im Himmel“ in Goethes Tragödie "Faust" sagt:
DER HERR: Kennst Du den Faust?
MEPHISTOPHELES: Den Doktor?
DER HERR: Meinen Knecht!
MEPHISTOPHELES: Fürwahr! er dient Euch auf besondre Weise.
Nicht irdisch ist des Toren Trank noch Speise.
Ihn treibt die Gärung in die Ferne,
Er ist sich seiner Tollheit halb bewusst;
Vom Himmel fordert er die schönsten Sterne
Und von der Erde jede höchste Lust,
Und alle Näh´und alle Ferne
Befriedigt nicht die tiefbewegte Brust.
Also auch Goethe sah den Menschen schon als Individualist, doch sofort drängt sich aus unserem Biologie-Unterricht die Frage auf: Und wie steht es mit der Vererbung? Sind wir denn durch die Vererbung nicht dazu "verdammt", wie unsere Vorfahren zu werden, also doch ganz anders, als die "Existenzialisten" uns gesehen haben?
Die Vererbungslehre hat sich gewandelt, seit sie im 19. Jahrhundert mit den Beobachtungen eines Zisterzienser-Mönches an Bohnen begann: Heute sprechen Genetiker nicht mehr von den Mendelschen Regeln, sondern von der »Reaktionsnorm« des Menschen, wenn sie seine Gene meinen: Nur der Möglichkeit nach, das heißt, im Sinne einer »Reaktionsnorm« (Kühn 1986) ist der aufrechte Gang, aber auch das Sprechen und das Denken dem Menschen angeboren. Gehen, Sprechen und Denken muss aber der einzelne Mensch dennoch von den anderen Menschen lernen, die dies schon können, die also seine Vorbilder sind. Längst ist daher in der Vererbungslehre der Gedanke gebräuchlich: Eine Eigenschaft ist auch dann genetisch, wenn sie in den Genen (genotypisch) nur so veranlagt ist, dass eine fördernde Hilfe (z. B. ein menschliches Vorbild) benötigt wird, um es in der Erscheinung des Menschen (phänotypisch) zu verwirklichen. Vererbung schließt beim Menschen den kulturellen Zusammenhang also nicht aus, sondern setzt ihn geradezu voraus.
Man könnte also den "Existenzialisten" entgegenhalten: Der Mensch ist nicht nur zur Freiheit, sondern auch zur Kultur, also zur Gemeinschaft mit anderen Menschen "verdammt". Aber jeder Mensch ist dennoch einmalig, und zwar in dem Sinne, wie wir es oben von Angelus Silesius erfahren haben: Er ist "kosmisch-einmalig", wenn er als "Kreis" lebt, und er macht sich "irdisch-weltfremd", indem er sich zum "Pünktchen" abgrenzt. Aber es wurde oben schon angedeutet: Nur der "irdische" Mensch ist sich seines Selbstes bewusst, der "kosmische" Mensch nicht, denn seine Seele ist mit der Weisheit des Kosmos erfüllt, aber schlafend. Und die ganze zukünftige Entwicklung des Menschen wird darin bestehen, das eine mit dem anderen zu verbinden.
An dieser Stelle kommt die Embryologie in Betracht, denn sie offenbart, wie der Menschenkörper sich schrittweise dem Kosmos entbindet und auf die Erde stellt: Wenn der Mensch seine Emryonalentwicklung beginnt, ist er selbst noch ganz ein Abbild der kosmischen Peripherie: Aus einer sphärischen Blastozyste (Blasenfrucht) entwickelt sich der eigentliche Embryo an der Berührungsfläche zweier sphärischer Gebilde, der Fruchtblase (des Amnion) und des Dottersackes. Und auch die so genannte Plazenta ist zunächst noch sphärisch, bis sie sich zum „Mutterkuchen“ zusammenzieht. Die zuerst noch kugelige Blasenfrucht (Blastozyste) wird schlauchförmig, wenn sich vom Hinterende her der „Urdarm“ einstülpt. Am Vorderende rundet sich sodann der Kopf und die Körpermitte wird durch die Bildung der„Urwirbel“ rhythmisiert. Bis schließlich noch die Arme und Beine hinzukommen, hat der Embryo die Form eines Fisches. Die Konzentrierung der Knochen, Nerven und Sinnesorgane am Kopf ist aber damit schon vollzogen und erreicht ihre Krönung mit dem Zahnwechsel im siebten Lebensjahr nach der Geburt, wenn die Schulreife einsetzt.
Warum ist dies letztere so wichtig aus anthroposophischer Sicht? Indem die Schmelzkappen der bleibenden Zähne entstehen, wird eine Substanzbildung im Menschen erreicht, die zur härtesten Organsubstanz überhaupt führt (härter als die Schmelzbildung der Großaffen, obwohl ja diese noch so offensichtlich brutale Gebisse haben!). Diese Härtung der Körpersubstanz ist die Grundlage für das Gedächtnis des Menschen, das wir nicht nur zur Schulreife (Ilg & Ames in: School Readiness, New York 1965), sondern auch für die Erfahrung der biographischen Identität, der individuellen Verantwortung und der Selbstbestimmung benötigen. In diesen Schritten: Zuerst der Zahnbildung, dann der Fortpflanzungsreife (Pubertät) und zuletzt auch der Handlungsreife (Volljährigkeit) im Erreichen der Endgröße seiner Gliedmaßen wird der Mensch, der anfangs noch ein Kreis war, zu dem „Pünktchen“, von dem der Mystiker Angelus Silesius spricht.
Was ist nun der qualitative Unterschied zwischen der Körpersubstanz, die uns hellwach und selbstbewusst macht und jener Körpersubstanz, die unsere Seele mit dem Kosmos verbindet, wenn wir schlafen, den Organismus belebt, doch das Selbstbewusstsein herabdämpft? In den Organen, die das Selbstbewusstsein vermitteln, wirken die Substanzen des Körpers so, als seien sie „irdisch“ und der Organismus tot, das heißt, sie wirken aus den Zentren ihrer Atome, wie wir dies aus dem akademischen Chemie-Unterricht gewöhnt sind. Das halten die Organe durchschnittlich nur etwa 16 Stunden am Tag aus, dann müssen sie abgeschaltet werden, um sich im Schlaf zu regenerieren. Es gibt aber Organe im Körper – diese sind sogar in der Überzahl – die nie schlafen müssen, weil sie nie aufwachen. In diesen Organen wirken die Substanzen „kosmisch“, das heißt so, dass sich ihre „irdischen“ Eigenschaften gegenseitig so neutralisieren, dass diese Organe sich den peripheren, „kosmischen“ Kräften öffnen und aus diesen das ewige Leben des Kosmos empfangen können. Das letztere können sie allerdings nur um den Preis des Selbstbewusstseins. So hängen also Gesundheit und Krankheit mit dem Seelenleben zusammen, und die ganze Kunst des Arztes besteht darin, seine Diagnose so zu stellen, dass sie zur Grundlage einer Therapie werden kann, die das Verhältnis der „irdischen“ und der „kosmischen“ Substanzwirkungen im Organismus in ein solches Gleichgewicht bringt, dass der Organismus seine Aufgaben bewältigen kann, ohne sich dabei selbst zu ruinieren. Natürlich wäre es ein Fehler, jetzt nur noch die „kosmischen“ Substanzwirkungen im Organismus wirken zu lassen, denn auch das könnte den Organismus ruinieren, wie z.B. die Schlafkrankheit zeigt. Die Gesundheit besteht also darin, ein Gleichgewicht herzustellen, das sowohl dem Leben als auch dem Bewusstsein dient. Wir können deshalb hier nur ergänzend hinzufügen, dass es bei der anthroposophischen Therapie vor allem darum geht, die Selbstheilungskräfte zu aktivieren, denn nur diese wirken nachhaltig.
Einen ersten Schritt in dieser Richtung hat Samuel Hahnemann (1755-1843) getan, als er die Homöopathie erschuf. Er begann, Heilmittel so zu rhythmisiere und zu dosieren, dass der Organismus ihre direkten Wirkungen überwinden kann, so dass der Heileffekt nicht durch das der Außenwelt entnommene Heilmittel, sondern erst durch die Gegenreaktion des Organismus, mit anderen Worten: durch die Anregung der Selbstheilungskräfte zustande kommt. Damit hängt auch zusammen, dass homöopathisch rhythmisierte und dosierte Heilmitte nicht an Wirksamkeit verlieren, sonder sogar noch zunehmen, je öfter und je länger wir sie anwenden.
Der Schritt von der Arbeitsweise Hahenmanns zur anthroposophischen Medizin besteht nun darin, dass der klassische Homöopath die Krankheitssymptome gegenständlich mit den Arzneiwirkungen vergleicht, die im homöopathischen Heilmittelversuch beobachtet werden, wohingegen der anthroposophische Arzt den Krankheitsprozess des Menschen mit dem Bildeprozess der Heilpflanze bzw des Heilmittels vergleicht, das ja nicht immer pflanzlich ist, sondern auch mineralisch oder tierisch sein kann.. Der anthroposophische Arzt muss also versuchen, sich in die Krankheitsprozesse seiner Patienten einzufühlen und von dort aus zur Intuition der Heilprozesse gelangen.
Indem er dieses Einfühlen aber nicht nur über die Sinne, sondern auch über die Intuition anstrebt, verwandelt er das Denken in einen Willensprozess, der die ganze Seele durchdringt. Und er bereitet dadurch auch zugleich schon den Boden, auf dem eines Tages die Vereinigung mit der akademischen, mit der so genannten "Schulmedizin" möglich sein wird.
An dieser Stelle sei ein Kommentar über die "Schulmedizin" erlaubt. Sie stammt ja von der antiken Mysterienmedizin (des Hippokrates) ab, war also ursprünglich eine priesterliche Kunst. Aber sie hat sich in den Jahrhunderten, die inzwischen vergangen sind und nun allerdings schon mehr als ein Jahrtausend betragen, so weit von ihren geistigen Wurzeln entfernt, dass der Ausdruck "kosmisch" für den akademischen "Schulmediziner" völlig unverständlich ist, den wir im vorangehenden Text versucht haben zu entwickeln und den Gedanken gegenüber gestellt, die wir heute schon als Kinder im ganz "normalen" Schulunterricht "eingetrichtert" bekommen. Für den heutigen "Schulmediziner" ist der "Kosmos" nichts weiter als die Welt der kleinen grünen Männchen, die vielleicht komisch aussehen, sich aber mit "Star Wars" und sonstigen Dingen beschäftigen, also mit Dingen, die eigentlich die Welt des "Otto Normalverbrauchers" sind.
Für die antike Mysterienmedizin hingegen war der "Kosmos" das Symbol für die Geistwelt, also die Wohnung der "Götter", die man im erst danach aufkeimenden Christentum als die "himmlischen Heerscharen" Gottes bezeichnete. Zu diesen "himmlischen Heerscharen" gehören auch - das sage ich, damit wir uns ein wenig vertrauter mit dem antiken Begriff des "Kosmos" fühlen können - solche Wesen, wie etwa der Erzengel Gabriel, der Maria das kosmische Geheimnis ihrer Schwangerschaft verkündete, weil er zur Christ-Geburt den Erzengel Michael als geistigen Lenker der Menschheit ablöste. Der antike Mysterienmediziner war also ein Arzt-Priester und noch nicht der Human-Ingenieur. als der sich der "Schulmediziner" heute fühlt.
Doch die ganze Esoterik der antiken Medizin war deshalb verfrüht, weil die zwischen dem Menschen und den "himmlischen Heerscharen" vermittelnde Lebenswelt der Pflanzen, Tiere und Sterne, die im "Paradies" des Alten Testamentes als Symbol für die Geistwelt nur so nebenbei erwähnt wird, dem antiken Menschen noch nicht wirklich bis in die Einzelheiten hinein bekannt war.
Für dieses Bekanntwerden mit der eigentlichen Größe und Tiefe der Schöpfung war es offenbar nötig, das ptolemäische, geozentrische Weltbild durch das kopernikanische zu ersetzen, das durch Kopernikus und Kepler geschaffen wurde und nicht nur den Menschen, sondern auch die Erde, ja, sogar unser ganzes Sonnensystem allmählich als ein winziges "Tröpfchen" des kosmischen, unendlichen Meeres der "Milchstraßen" erkennbar macht, von dem man heute sogar weiß, dass es sich mit Lichtgeschwindigkeit in die Unendlichkeit des Kosmos ausbreitet!
Man hat ja in der letzten Zeit oft zu hören bekommen, das Kopernikanische Weltbild sei das erste Trauma der Menschheit, das Menschenbild der Psychoanalyse Sigmund Freuds das zweite, der Darwinismus das dritte und das Menschenbild der heutigen Neurobiologie das vierte "Kindheitstrauma" der Menschheit.
Diese Behauptung ist aber nur insofern berechtigt, als der antike Mensch tatsächlich noch nicht die seelische Kraft hatte, die Erkenntnis zu ertragen, wie klein er selbst im Verhältnis zur Schöpfung ist. Dieses erste "Trauma" war aber nötig, um zu neutralisieren, was ein Geist namens Luzifer, der "Lichtbringer", dem Menschen nicht nur als "Erkenntnis des Guten und des Bösen", wie es im Alten Testament heißt, sondern auch als Größenwahn gebracht hat.
Johann Wolfgang von Goethe beschreibt in seinem "Faust" die Wirkung Luzifers auf den Menschen aus der Sicht seines Gegenspielers, des Geistes, der sich selbst beschreibt als "der Geist,-der stets verneint":
MEPHISTOPHELES:
Ich sehe nur, wie sich die Menschen plagen.
Der kleine Gott der Welt bleibt stets von gleichem Schlag
Und ist so wunderlich als wie am ersten Tag.
Ein wenig besser würd' er leben,
hättst Du ihm nicht den Schein des Himmelslichts gegeben;
Er nennt's Vernunft und braucht's allein,
Um tierischer als jedes Tier zu sein.
DER HERR: Hast Du mir weiter nichts zu sagen?
Kommst Du nur immer anzuklagen?
Ist auf der Erde ewig Dir nichts recht?
(aus Goethes Faust, 1. Akt: "Prolog im Himmel").
Der Geist des Mephisto stellt sich nicht lange danach dem Doktor Faustus ganz persönlich vor:
FAUST: Nun gut, wer bist du denn?
MEPHISTOPHELES: Ein Teil von jener Kraft,
Die stets das Böse will und stets das Gute schafft.
FAUST: Was ist mit diesem Rätselwort gemeint?
MEPHISTOPHELES: Ich bin der Geist, der stets verneint!
Es ist also nicht nur ein Trauma, sondern auch eine Wohltat für den Menschen. seine wahre Kleinheit und auch die Wahrheit über sich selbst zu erfahren. Dass die Selbsterkenntnis, die durch Sigmund Freud und durch den Darwinismus dem Menschen gebracht wird, dass nämlich in seinem Inneren so einiges Finstere schlummert, natürlich wehtut, ist eher gut als schlecht: Selbsterkenntnis MUSS wehtun, sonst ist sie Größenwahn. Aber WIE diese Wahrheit der Menschheit präsentiert wurde, das ist das Trauma: Sigmund Freud, der alles Religiöse als "wahnhafte Verirrung" kennzeichnete, präsentierte die Wahrheit über die Tiefenpsychologie des Menschen eben gerade nicht, sondern verbarg sie hinter einer Lüge: Im Jahre 1897 schmiss er seine "Verführungstheorie" über den Haufen, und ersetzte sie durch deren genaues Gegenteil: Mit Hilfe der Hypnose hatte er zusammen mit Josef Breuer entdeckt, dass die so genannte "feine Gesellschaft" Wiens eigentlich nur ein Club sadistischer und sexsüchtiger Verbrecher war, mit anderen Worten, dass die ganzen psychisch Kranken in seiner Praxis nur die Opfer frühkindlichen sadistischen und sexuellen Missbrauches durch die Erwachsenen ihrer Familien waren. Aus welchen Gründen auch immer, erfand er daraufhin die ganz und gar verlogene "Verdrängungs-Theorie", die den Opfern dieser Verhältnisse unterstellte, sie seien an "perversen Fantasien" bzw. deren Verdrängung erkrankt, also selbst die eigentlichen Verursacher ihrer psychischen Störungen. Dem Establishment gefiel das natürlich sehr, und so ist der Freudianismus bis in unsere Tage politisch protektioniert, ohne je den Beweis seiner Wahrhaftigkeit erbringen zu müssen. Auch der Darwinismus, der ja in wunderbarer Weise demonstriert, wie intelligent die Schöpfung eigentlich ist, präsentiert diese Wahrheit in lügenhafter Weise: Mephistopheles charakterisiert die Vernunft des Menschen so, dass der Mensch sie nur "tierischer als jedes Tier" gebraucht und wird dafür von Gott in Goethes Faust mit feinem Humor als "Moralist" enttarnt. Genauso unterstellt der Darwinismus den Naturwesen nur Grausamkeit und Egoismus, ohne wirklich zu begreifen, dass die Naturwesen ja nicht grausam sind, sondern als Glieder einer wunderbaren, höheren Ganzheit agieren, die wir als "das Leben schlechthin" bezeichnen können, indem sie keinerlei Selbstreflexion wie der Mensch, also auch keinen "Egoismus" im moralische Sinne entwickeln, sondern nur voll an den kosmischen Umkreis hingegeben agieren. Sie sind dazu "verdammt" ganz im Umkreis zu leben und sich nie als "Pünktchen" erleben zu müssen, wie Angelus Silesius den Menschen beschreibt.
Die materialistische Wissenschaft "moralisiert" also am Menschen herum, ohne auch nur im geringsten dazu berechtigt zu sein, und dies tut sie besonders gerne dadurch, dass sie eine "Moderne Neurobiologie" erzeugt, die bei allem akademischem Scharfsinn doch so naiv, um nicht zu sagen "blödsinnig" ist, dass sie das menschliche "Ich" im menschlichen Gehirn sucht. Und da sie es dort nicht findet, behauptet sie, das menschliche "Ich" sei nicht existent oder zumindest "identisch" mit dem menschlichen Gehirn.
Es ist also gar nicht das Wissen der modernen Schulmedizin, das die Schranken zur anthroposophischen Medizin aufrichtet, sondern ihre Gesinnung, die sich in ihren Denkfehlern offenbart.
Andererseits ist es an der Zeit, dass die Schulmedizin ihren Standpunkt überwindet, der nirgends deutlicher zum Ausdruck kommt als in dem Ausspruch Rudolf Virchow aus dem Jahre 1856 (kein Druckfehler: So lange grassiert diese scheußliche Haltung bereits bei meinen Kollegen!): „Nun habe ich schon hunderte von menschlichen Leichen seziert, und immer noch keine Seele gefunden“. Denn dieser Satz blockiert ja auch alle Versuche, die akademische Psychologie und Psychosomatik in die Schulmedizin zu integrieren.
Anhang:
Die Dreigliederung des Menschen.
Zum Abschluss dieser Einführung in die anthroposophische Medizin sei wie in einer Nussschale komprimiert der Lösungsvorschlag der Anthroposophie dargestellt, wie die Psychosomatik in die Schulmedizin zumindest wissenschaftlich-philosophisch, das heißt konzeptuell, zu integrieren ist, so dass verständlich wird, warum Rudolf Steiner das einzige Buch über anthroposphische Medizin, das er hinterlassen hat, unter dem Titel „Grundlegendes für eine Erweiterung der Heilkunst nach geisteswissenschaftlichen Erkenntnissen“(1925) veröffentlichte und mit den folgenden Worten einleitete:
„Nicht um eine Opposition gegen die mit den anerkannten
wissenschaftlichen Methoden der Gegenwart arbeitende
Medizin handelt es sich. Diese wird von uns in ihren Prinzipien
voll anerkannt. Und wir haben die Meinung, dass das
von uns Gegebene nur derjenige in der ärztlichen Kunst
verwenden soll, der im Sinne dieser Prinzipien vollgültig
Arzt sein kann.
Allein wir fügen zu dem, was man mit den heute anerkannten
wissenschaftlichen Methoden über den Menschen
wissen kann, noch weitere Erkenntnisse hinzu, die durch
andere Methoden gefunden werden, und sehen uns daher
gezwungen, aus dieser erweiterten Welt- und Menschenerkenntnis
auch für eine Erweiterung der ärztlichen Kunst zu arbeiten.
Eine Einwendung der anerkannten Medizin kann im Grunde gegen das, was wir vorbringen, nicht gemacht werden, da wir diese nicht verneinen. Nur derjenige, der nicht nur verlangt, man müsse sein Wissen bejahen, sondern der dazu noch den Anspruch erhebt, man dürfe keine Erkenntnis
vorbringen, die über die seinige hinausgeht, kann unseren Versuch von vorneherein ablehnen.“
Hier folgt nun die Darstellung dessen, was in der anthroposophischen Medizin zur Synthese der Schulmedizin mit der Schulpsychologie geleistet wird und was über eine bloße Synthese des akademischen Wissens insofern hinausgeht, als es die „Anthroposophie“ als Geisteswissenschaft zu einer wahren Menschwesen-Erkenntnis hinzufügt:
Der deutsch-dänische Philosoph Johannes Nikolaus Tetens (1736 - 1807), veröffentlichte 1777 eine “Dreigliederung des Seelenlebens“ in “Vorstellen“, “Fühlen“ und “Wollen“ (Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwicklung. Leipzig 1777). Damit erzielte er nicht nur den Zuspruch Immanuel Kants, sondern gab der modernen Psychologie eine Struktur, die von der empirischen Unterscheidung dreier seelischer Prozesse ausgeht, die, wie schon Immanuel Kant bemerkte, als die Funktionen des Vorstellens, Fühlens und Wollens nicht weiter auseinander ableitbar, also einzigartige, eigenständige Fähigkeiten der Seele sind.
Ihre Dreizahl hätte zur Grundlage für eine ganzheitliche empirische Psychologie werden können, wäre da nicht der stetig größer werdende Einfluss des Cerebrozentrismus (auf Deutsch: die Psyche habe ihren Sitz im Gehirn) in der Medizin gewesen, der bis heute nur noch als Seelisches gelten lässt, was zu Nervenvorgängen in Beziehung steht. Die Schulpsychologie sieht deshalb das, was sich nicht dem Nervenleben zueignen lässt, insbesondere das Fühlen, aber auch die Fantasie und die willkürlichen Anteile des Wollens, nicht als selbständige Seelentätigkeiten, sondern so an, als seien dies bloß Varianten des Vorstellens. Seitdem kann man zwar als Privatmensch weiterhin vom prophetischen „Bauch-“ und vom psychologischen „Fingerspitzengefühl“, vom politischen „Augenmaß“, vom moralischen „Durchhänger“ oder vom kaufmännischen „Stehvermögen“, von intimen „Herzensangelegenheiten“, von der „Intelligenz des Herzens“ und vom seelischen „Takt“ sprechen, jedoch nicht mehr als Wissenschaftler. Denn was soll man wissenschaftlich darunter „verstehen“ oder „begreifen“, dass es „prophetisches Bauch-“ und „psychologisches Fingerspitzengefühl“, politisches „Augenmaß“, den moralischen „Durchhänger“ oder das juristische „Stehvermögen“, die intimen „Herzensangelegenheiten“, die „Intelligenz des Herzens“ oder den „Takt“ der Seele gibt? Alle diese Schöpfungen des „Volksmundes“ sind ja kollektive Hinweise auf die empirische Realität des Gefühls- und Willenslebens, aber die Zuordnung zu ihren leiblichen Grundlagen wird aufgrund der Alleinherrschaft des Cerebrozentrismus in der Medizin heute wissenschaftlich ganz woanders gesehen, als man dem Volksmund entnehmen könnte, nämlich im Gehirn. Andererseits gilt aber das Gehirn als eine Art von Festplatte, also als eine Maschine, die der Mensch zwar herstellen kann, aber deshalb noch längst nicht ist.
Das über das Gehirn mag sogar berechtigt sein. Aber die Übertragbarkeit von Festplatten-Eigenschaften auf das menschliche Gefühls- und Willensleben ist mit Sicherheit dadurch noch nicht gegeben, und der Groß-Versuch dieser Übertragung, der ja heute trotzdem weltweit in Gang gesetzt ist, führt mit Sicherheit in die Unmenschlichkeit, Phantasterei und letztlich in eine ganz unnötige Begrenzung der diagnostischen und therapeutischen Möglichkeiten.
Die Zweifel am Cerebrozentrismus der Schulpsychologie bekamen erstmals eine wissenschaftliche Grundlage, als Rudolf Steiner 1917 im Nachruf auf den großen Psychologen Franz Brentano feststellte: “ Der Leib als Ganzes, nicht bloß die in ihm eingeschlossene Nerventätigkeit, ist physische Grundlage des Seelenlebens.“ Ebenso kritisierte er aber auch die schulmedizinische Bewegungslehre von den motorischen und sensiblen Nerven, die das Wollen des Menschen wie in einer Telefonzentrale eingeschlossen sieht: „Beide Nervenarten sind vielmehr wesensgleich. Der sogenannte motorische Nerv dient nicht in dem Sinne der Bewegung, wie die Lehre von dieser Gliederung es annimmt, sondern als Träger der Nerventätigkeit dient er der inneren Wahrnehmung desjenigen Stoffwechselvorganges, der dem Wollen zugrunde liegt, geradeso wie der Empfindungsnerv der Wahrnehmung desjenigen dient, was im Sinnesorgan
sich abspielt.“ Diese neue Lehre von der Dreigliederung des Organismus gliederte also nicht nur die Gesamtheit aller leiblichen Prozesse dem Seelenleben ein, sondern lehrte andererseits auch, die objektive Muskelkraft qualitativ von der wahrnehmenden Nerven-Sinnes-Tätigkeit zu unterscheiden und dem Stoffwechsel zuzuordnen. Und schon wenig später trug er in seinen medizinischen Kursen vor: „Das Herz ist keine Pumpe, sondern ein Sinnesorgan“. Dass die genannten Unterscheidungen durch Einsicht in die Dreigliederung des Organismus keine akademischen Spielereien waren, sondern direkt in eine neue Heilkunst mündeten, wird nirgends deutlicher als in der Krebstherapie: Rudolf Steiners Entdeckung, „ Alle Karzinome sind Sinnesorganbildungen an falscher Stelle“ führt, wie in den entsprechenden Kapiteln hier dargestellt ist, zu der weltweit erfolgreichsten Hilfe gegen die Krebskrankheit, sofern die Ärzteschaft den Mut dazu aufbringt, sie in Gemäßheit zur Dreigliederung des Organismus, das heißt, als fiebererzeugende Mistel-Injektionstherapie auszuführen.
Alle genannten Vorschläge Rudolf Steiners zur Verbesserung der Medizin und Psychologie basieren auf der Einsicht in die „Dreigliederung des Organismus“, deren Bedeutung für die gesamte Kulturentwicklung der Menschheit nur ersichtlich wird, wenn man berücksichtigt, wie Rudolf Steiner zunächst die von Nikolaus Johannes Tetens vorgelegte „psychologische Analyse der Seele nach naturwissenschaftlich-phänomenalistischen Methoden“ aufgriff und zum Universal-Werkzeug der anthroposophischen Menschenkunde dadurch ergänzte, dass er sie einerseits mit der naturwissenschaftlich fundierten Physiologie seiner Zeit zusammenschloss. Dadurch konnte das Vorstellen dem Nerven-Sinnes-System, das Gefühlsleben dem Rhythmischen System und das Willensleben dem Stoffwechsel-Gliedmaßen-System des Menschen, mithin also seelische Fähigkeiten phyiologischen Prozessen zugeordnet werden. Andererseits aber verband Rudolf Steiner die damit geschaffene leiblich-seelische Dreigliederung des Organismus mit seinen eigenen, geisteswissenschaftlichen Forschungsergebnissen bezüglich des Karmas des Menschen, womit ein absolutes Novum entstand, nämlich der Einbezug der subjektiv-seelischen und der leiblichen Prozesse des Menschen in den objektiven Zusammenhang mit dem geistigen, dem individuell-karmischen Menschen und damit in den Zusammenhang des gesamten Universum.
(Text noch in Bearbeitung, wird fortgesetzt)
Wahlarztpraxis
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Das Festnetz habe ich aus Kostengründen aufgegeben
Aber Vorsicht! Auch das mobile Telefonieren hat seine Tücken: Wenn Sie mich anrufen, kann es sein, dass ich gerade nicht physisch in der Lage bin, an das Mobil-Telefon herankomme.
Viele Anrufer sind sich auch nicht bewusst, dass auf ihrem Festnetz-Telefon die eigene Rufnummer zumeist unterdrückt ist. Dann wird Ihre Anrufnummer nicht automatisch gespeichert und ich kann Sie dementsprechend nicht sofort zurückrufen, sondern bin darauf angewiesen, dass Sie mir Ihre Rückrufnummer auf den Anrufbeantworter aufsprechen.
Im Prinzip bin ich aber jederzeit ansprechbar, insbesondere natürlich, wenn Sie in Not sind!