ASTHMA BRONCHIALE

"Bronchial - Asthma" ist keine Diagnose, sondern nur ein Symptomenkomplex, den man bei ganz unterschiedlichen Menschen findet. Er besteht hauptsächlich aus zwei Störungen der Atmungsfunktion: 1. Verengung der Bronchen, 2. Verschleimung der Bronchen. Aber je nachdem, wie der Mensch konstitutionell beschaffen ist, steht entweder die Verengung der Bronchen, oder die  Verschleimung der Bronchen im Vordergrund, und die jeweils ergänzende Störung ist sekundär. Deshalb muss auch die Therapie je nach der Konstitution unterschiedlich sein.

 

Das eine Extrem unter den Asthmatikern ist der sogenannte "Pink Puffer", bei dem die Bronchialverengung im Vordergrund steht und die Verschleimung nur sekundär ist:

Der Typus des "Pink Puffer"

ist hager, sehr blass und ausgemergelt. Er leidet subjektiv stark unter seiner Atemnot und zeigt das auch nach außen, wobei die objektiven Messwerte eher auf Hyperventilation (das heißt auf übertriebene Abatmung von Kohlensäure) als auf Luftnot deuten. Die Hyperventilation (das heißt die übertriebene Abatmung von Kohlensäure) ist bei diesem Patienten durch die Angst verursacht, die von seinen Atembeschwerden kommt. Die Atembeschwerden verstärken also seine Angst, und seine Angst verstärkt die Atembeschwerden.

 

Das nennt man einen "Teufelskreis".

 

Psychisch ist der "Pink Puffer" also aus dem Gleichgewicht, und zwar in der Richtung der Angst, denn er ist ein hoch sensibler, dadurch auch kritischer, wenn nicht sogar misstrauischer Mensch, der leicht auch als nörglerisch missverstanden wird.

 

Das soll aber nun nicht heißen, dass er simuliert!

 

Er ist wirklich körperlich krank. Außer unter Atemnot, die besonders nachts auftritt, leidet er auch unter hartnäckigen Einschlafstörungen und nächtlichem Husten, so dass er nicht zur dringend benötigten Erholung kommen kann. Tagsüber plagen ihn dann Appetitlosigkeit und chronische Stuhlverstopfung.

 

Besonders im Asthma - Anfall selbst ist sein Bronchialschleim spärlich, dabei glasig und außerordentlich zäh, so dass er ihn kaum nach außen bringen kann, obwohl er ja ständig hustet.

 

Wenn Sie nun, verehrter Patient, dieses Bild gesehen und seine Beschreibung gelesen haben, so werden Sie sich gewiss darin nicht wiedererkennen, weil es so überzeichnet ist. Um wirklich sich selbst beurteilen zu können, brauchen Sie zum Vergleich dessen Gegenbild, den Typus des "Blue Bloater".

 

Obwohl beiden die asthmatische Bronchialverkrampfung gemein ist, ist der Typus des "Blue Bloater" dem "Pink Puffer" in fast jeder Hinsicht entgegengesetzt:

Der Typus des "Blue Bloater"

Er ist übergewichtig, rosig und heiter. Seine Atemnot bemerkt er gar nicht oder kaum, obwohl die objektiven Messwerte eine schwere Hypoventilation und Hyperkapnie, das heißt einen massiven Sauerstoffmangel des Blutes bei gleichzeitiger Ansammlung von Kohlensäure, ausweisen. Das macht seine Situation so gefährlich, weil er - im vollen Gegensatz zum "Pink Puffer" - die Gefahr zu spät erkennt.

 

Der "Blue Bloater" ist also ebenfalls psychisch aus dem Gleichgewicht, aber auf eine trügerisch-angenehme Art: Er ist so gut bei Laune, dass er die Gefahr nicht spürt, in der er "schwebt".

 

Er hat einen grandiosen Appetit, ist immer fröhlich, zutraulich und kontaktfreudig, und hat natürlich auch keine Schlafstörungen. Im Gegenteil: Er befindet sich ständig in Gefahr, einzuschlafen und gar nicht mehr aufzuwachen.

 

Deshalb ist es sogar riskant, ihm künstlich Sauerstoff zuzuführen, da dies bewirken kann, dass seine Atemreflexe ganz erlöschen. Sein Bronchialsekret ist auch nicht spärlich, glasig und zäh, sondern überreichlich, eitrig-gelblich und sehr locker. Da aber die Hustenreflexe fehlen, wird das Bronchialsekret ungenügend abgehustet und muss nicht selten künstlich abgesaugt werden. 

 

Da zumeist eine bakterielle Infektion am Krankheitsprozess beteiligt ist, werden in der akademischen Medizin standardmäßig Antibiotika verordnet. Wir versuchen aber, die Selbstheilungskräfte auch hier zu mobilisieren.

 

Nun könnte man meinen, dass der zuerst genannte Typus des Asthmakranken, der sogenannte "Pink Puffer", eine Inhalation besonders gut gebrauchen kann, auf dass sich ihm das Sekret besser löse.

 

Das genaue Gegenteil ist aber leider der Fall! Sobald man ihn inhalieren lässt, fängt er noch mehr an zu husten, so dass sich sein Zustand eher noch verschlimmert.

 

Der "Blue Bloater" dagegen lebt bei der Inhalation förmlich auf, ganz besonders dann, wenn es sich um stark duftende, ätherische Öle wie z.B. Eucalyptus handelt, die der "Pink Puffer" andererseits besonders schlecht verträgt.

 

Was liegt hier vor? Wie können zwei so entgegengesetzte Zustände die gleiche Diagnose "Asthma bronchiale" haben und dann so entgegengesetzt auf therapeutische Maßnahmen reagieren?

 

Leider wird Bronchialasthma in der akademischen Medizin nur als lokaler Symptomenkomplex, nämlich als "bronchiale Überempfindlichkeit" definiert, aber nicht aus der Gesamtheit der verursachenden Prozesse.

 

Natürlich kann man beiden Asthmatikern sofort mit Lokalmaßnahmen helfen: Der "Pink Puffer" reagiert besonders gut auf Mittel, die die Bronchialmuskulatur entspannen. Der "Blue Bloater" benötigt erst entzündungshemmende Mittel, z.B. Cortison, sodann auch Antibiotika, bevor er auf Mittel reagiert, die seine Bronchialmuskulatur entspannen. Aber keinen der beiden Asthmatiker kann man damit allein dauerhaft heilen. Welches sind die eigentlichen Prozesse, die bei so unterschiedlichen "Typen" von Asthmatikern Bronchialkrämpfe auslösen?

 

Das Beispiel mit dem misslungenen Versuch der Inhalation von ätherischen Ölen beim "Pink Puffer" könnte man in dieser Hinsicht als ein "Urphänomen" im Goetheschen Sinne deuten, das heißt als ein Phänomen, das wie in einem Brennglas alles zusammenfasst, worauf es bei der Krankheitserkenntnis im anthroposophischen Sinne ankommt:

 

Beim "Pink Puffer" sind die Sinnesprozesse, die normalerweise im Kopf ihr Zentrum haben, in abnormer Weise verstärkt. Das bedeutet aber zugleich, dass sie sich zu weit nach abwärts, das heißt bis in die Bronchien ausbreiten.

 

Um diesen Gedanken voll zu begreifen, muss man allerdings erst eingesehen haben, dass die Sinnesprozesse des Kopfes nicht aufbauende, sondern abbauende Kräfte sind. Nur dadurch, dass das Nerven- und Sinnessystem des Menschen ein abbauendes System ist, schafft es Bewusstsein. Und weil dieser ganz normale Abbau uns krankmachen und schließlich töten würde, müssen wir die Sinneswahrnehmungen und das Denken auf das Nervensystem begrenzen und im Tagesrhythmus sogar ganz abschalten, nämlich dann, wenn wir schlafen.

 

Die Lunge, der Blutkreislauf, und erst recht die Verdauungsorgane müssen nie abschalten, denn sie tragen nur ein träumendes oder schlafendes Bewusstsein. Zugleich betreiben sie den Aufbau des Organismus.

 

Die abbauenden Kräfte, die in den Sinnesorganen wirken, sind also beim "Pink Puffer" bis in die Bronchien hinein übermäßig verstärkt. Diese Verschiebung ist seine primäre Störung. Deshalb kann er nicht entspannen, ist appetitlos und überwach. Und deshalb fühlt er sich immer so, als bekäme er nicht genügend Luft, obwohl er in Wirklichkeit das Ausatmen, das Loslassen des Atems üben müsste.

 

Diese Verschiebung der Kräfte bedingt nicht nur die Schlaflosigkeit, sondern auch die Neigung zur Überempfindlichkeit der Bronchien, die zur Bronchialverkrampfung führt, und erzeugt so schließlich auch die Angst. Wegen seiner allgemeinen, sich bis in die Bronchen ausbreitenden Überempfindlichkeit reagiert also der "Pink Puffer" sogar negativ auf die Inhalation mit ätherischen Ölen.

 

Die Überempfindlichkeit des "Pink Puffer" lässt sich dennoch mit anthroposophischen Mitteln dauerhaft heilen, die seinen Stoffwechsel anregen und von dort aus die Bronchialverkrampfung, wie auch seine ganze übrige Verkrampfung, neutralisieren.

 

Hingegen ist die Bronchialverkrampfung beim "Blue Bloater" nur ein sekundäres Phänomen. Bei ihm ist primär die Stoffwechseltätigkeit zu stark, ja geradezu überbordend. Die Sinnestätigkeit andererseits ist dementsprechend zu schwach, wie man an der Neigung zum ständigen Einschlafen mühelos erkenn kann. Erst sekundär reagiert der "Blue Bloater" auf die starke Verschleimung mit Bronchialverkrampfung, lässt sich aber davon weder sonderlich stören, noch ängstigen. So kann hier die Inhalation mit ätherischen Ölen wohltätig wirken, weil sie die Sinnestätigkeit in den Bronchen ausgleichend verstärkt. So wird verständlich, dass Inhalationen immer dann sehr günstig wirken, wenn der individuelle Typus des Patienten in der Richtung des "Blue Bloater" liegt, wohingégen Patienten, die mehr dem "Pink Puffer" ähneln, Inhalationen zumeist schlecht tolerieren, oder sogar einen Asthma-Anfall erleiden, wenn sie dennoch zur Inhalation überredet werden.

 

Die genannten Phänomene können aber letztlich nur eine Skizze dafür liefern, wie der Arzt individuell differenzierend bei der Therapie vorgeht.