Dissoziative  Krampfanfälle (Pseudoepilepsie)

 

 

20 bis 30% der Patienten, die wegen wirkungsloser Therapieversuche gegen "epileptische Anfälle" in ein Epilepsie-Zentrum eingewiesen werden, erhalten letztendlich die korrekte Diagnose "Dissoziative Krampfanfälle" ("Pseudoepilepsie"). Mit anderen Worten:  20 bis 30% der Patienten mit "Epilepsie" haben diese gar nicht, sondern statt dessen  "Dissoziative Krampfanfälle", die auch als "Pseudoepilepsie" bezeichnet werden.

 

Eine große Stärke der akademischen medizinischen Ausbildung ist nicht nur die Erziehung  zur Diagnose, sondern auch die Erziehung zur Differenzialdiagnose: Es reicht eben nicht aus, darüber nachzudenken, was der Patient hat, sondern man muss auch darüber nachdenken, was er außerdem noch alles haben könnte!

 

Wenngleich damit noch nicht gesagt ist, dass die "richtige" Diagnose auch schon die Heilung garantiert, so ist die Fasche Diagnose auf jeden Fall ein Hindernis:  Sieben Jahre vergehen im Schnitt, bis wenigstens die "richtige" Diagnose "Dissoziative Anfälle" ("Pseudoepilepsie") gestellt wird, und allein schon diese Verschleppung kann Komplikationen mit sich bringen: Dazu gehören zum Beispiel unerwünschte Wirkungen von antiepileptischen Medikamenten, aber auch typische Verletzungen der Stimmbänder, der Luftröhre oder der Lunge bei einer unangebrachten intensivmedizinischen Behandlung infolge Verwechslung so genannter pseudoepileptischer Anfälle mit der "echten" Epilepsie.

  

Deshalb ist es so wichtig, dass der Arzt überhaupt weiß, dass es außer der echten Epilepsie auch "Dissoziative Krampfanfälle" gib, die vielfach auch als "psychosomatische Anfälle" bezeichnet werden und zu denen die so genannte "Pseudoepilepsie" gehört. 

 

Bei der Unterscheidung gegenüber der "echten" Epilepsie lassen folgende Verhaltensweisen und Zeichen an "Dissoziative Krampfanfälle" denken:

 

1. Beginn und Ende der Anfälle sind bei Pseudoepilepsie allmählich, bei Epilepsie eher abrupt und geht vielfach in eine tiefe Erschöpfung über .

 

2. Während des Anfalles sind die Augen bei der Pseudoepilepsie krampfhaft verschlossen, bei der echten Epilepsie im Anfall weit geöffnet, sehen aber nichts.

 

3. "Falscher Schlaf": Ein länger anhaltender, krampfloser Zustand der Reaktionslosigkeit mit geschlossenen Augen, aus dem der Patient nicht erweckbar ist, spricht für Pseudoepilepsie.

 

4. Ebenso sprechen zusätzliche Symptome im Anfall wie unregelmäßige, von Pausen unterbrochene Bewegungen der Arme und Beine, Betposen, Kopfschütteln, Vorschieben des Beckens, Überstreckung des Rückens und Weinen eher für Pseudoepilepsie.

  

5. Für Pseudoepilepsie spricht auch das Augenflattern mit geschlossenen Augen, während für Epilepsie erweiterte, starre Augenlider typisch sind.

 

6. Nach dem Anfall findet man bei Pseudoepilepsie oft Flüstern und fortgesetzte Bewegungen, bei echter Epilepsie eher Schlaf, Schlaffheit, Delir oder Verwirrung.

 

Keiner der genannten 6 Unterschiede ist beweisend, aber alle können hinweisen auf einen "Dissoziativen" Krampfanfall, also auf eine Pseudoepilepsie. Selbst das EEG (Elektroenzephalogramm) kann eine echte Epilepsie nur beweisen, wenn sich dort Veränderungen finden, die für die echte Epilepsie spezifisch sind. Das Fehlen solcher spezifischer Veränderungen ist hingegen noch nicht beweisend für die Pseudoepilepsie.

 

Bis heute werden die Unterschiede zwischen Epilepsie und Pseudoepilepsie nicht einheitlich, sondern selbst von einem großen Teil der Fachleute so gedeutet, als sei die Pseudoepilepsie "eingebildet" oder "geschauspielert", und nur die "echte Epilepsie" eine reale Störung. In Wahrheit sind die Symptome der Pseudoepilepsie seelisch motiviert, die der echten Epilepsie hingegen physisch. Deshalb gibt es nur für die "echte Epilepsie" physikalische Nachweismethoden, das heißt, die Feststellung der elektrophysiologischen Krampfpotentiale mittels der Elektroenzephalographie (EEG). Die Pseudoepilepsie muss man hingegen ganz anders beobachten, um auch dort fündig zu werden: So ist hier z.B. der Nachtschlaf massiv gestört, insbesondere durch starkes Schwitzen. Wie hängt das mit den Krankheitsursachen zusammen?

 

Der klassische griechische Philosoph ARISTOTELES (3. Jahrhundert v. Christus) lebte am Ende einer Menschheitsepoche, in der es noch völlig selbstverständlich war, dass der Mensch eine Seele hat. So schrieb er z.B. in einem seiner Hauptwerke "die Psyche ist die Form des lebenden Organismus, das Leben seine Substanz", bemerkte aber hinzu: "Wenn die Seele sich vom Leibe trennt, verliert dieser auch das Leben". (Über die Seele. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1979)". Damit zugleich formulierte er auch den Begriff der Pseudoepilepsie als eine Störung nach dem Bilde des Sterbens, denn bei der Pseudoepilepsie lassen auch die Panik-Attacken nicht lange auf sich warten, wohingegen die "echten" Epileptiker psychisch bemerkenswert stabil sind. Ihre Störung ist nämlich nicht nach dem Bilde des Sterbens, sondern des Geboren-Werdens geschnitzt: Die Seele will in den Körper hinein, kann aber nicht und staut sich an dessen Oberfläche. So jedenfalls der geisteswissenschaftliche Befund Rudolf Steiners, wie er ihn im "Heilpädagogischen Kurs" von 1924 wiedergibt. Dabei betont er, dass maskierte Epileptiker daran zu erkennen sind, dass sie keine Gewissensbisse kennen, wohingegen die Schuldigkeits-Gefühle geradezu pathognomonisch (krankheitsspezifisch) für die dissoziativen Störungen sind. 

 

Der Ausdruck "dissoziativ" ist also aus anthroposophischer Sicht viel wahrer, als gemeinhin angenommen wird, weil er die Abspaltungstendenz der Seele vom Leib beinhaltet. So wird auch verständlich, warum die Multiple-Persönlichkeits-Störung ebenfalls zu den "dissoziativen" Störungen gehört.

 

Der Begriff der Pseudoepilepsie drückt die Asymmetrie der Beurteilung hingegen ja schon dadurch aus, dass die Bezeichnung "Pseudo" nur auf etwas hinweist, was diese Störung nicht ist. Auch die im 19. Jahrhundert entstandene Bezeichnung der Pseudoepilepsie als "Hysterie" hatte schon diesen Beigeschmack, zumal sich parallel zum wissenschaftlichen auch ein umgangssprachlicher Gebrauch dieses Ausdruckes ausbildete, der bis heute fortwirkt und die als "hysterisch" bezeichnete Persönlichkeit abwertet. Deshalb ist der Ausdruck "Hysterie" aus allen systematischen Verzeichnissen der psychischen Störungen (z.B. ICD-10 und DSM-5) gestrichen und durch andere, differenziertere Bezeichnungen ersetzt worden. Andererseits gilt aber bis heute in der Schulpsychologie doch immer noch die Theatralik, Selbstinszenierung und das scheinbare Bedürfnis der betroffenen Pseudoepileptiker nach öffentlicher Beachtung als zentrales Erkennungs- und Unterscheidungsmerkmal dieser Störung. Aus anthroposophischer Sicht ist das scheinbare Bedürfnis der betroffenen Pseudoepileptiker nach öffentlicher Beachtung also nicht primäres Bedürfnis, sondern sekundäre Folge der Abspaltung der Seele vom Leib, und auch die Krämpfe sind nicht primäre Ursache  sondern sekundäre Folge, weil die Seele darum ringt, nicht in der Leere des Raumes verloren zu gehen. Man nannte deshalb früher die Angst der dissoziativen Persönlichkeiten auch den "Horror vacui", die Angst vor der Leere.

 

Indem man so auf die Krankheitspolarität der dissoziativen und der epileptischen Störungen blickt, kann man überhaupt erst genau ins Auge fassen und untersuchen, worum es sich auf der leiblichen Seite der Krankheitserscheinungen handelt, wenn man den Mut hat, die "Seele" als eine real existierende Wesenheit aufzufassen, die wir alle aus der Selbsterfahrung kennen. 

 

Man versteht auch dadurch das Phänomen der Ko-Morbiditäten besser: Auch bei den Autismen ist die Seele zu dicht mit dem Körper verbunden, weshalb der Autist das seelische Fühlen seiner Mitmenschen nicht erlebt, sehr wohl aber ihre intellektuellen Fehlleistungen. Ebenso wird die Komorbidität von Zwanghaftigkeit und Epilepsie auf diese Weise verständlicher.

 

So ist ein tieferes Verständnis des Gegensatzes von Epilepsie und "Dissoziativen Krampfanfällen" (Pseudoepilepsie) nicht nur für die richtige Diagnose, sondern auch für die richtige Therapie wichtig. 

 

Bitte informieren Sie sich über diesen Gegensatz und dessen tiefere Zusammenhänge mit der Seele des Menschen einerseits und der den Menschen andererseits umgebenden Natur, der wir die Heilmittel zur Anregung der Selbstheilungskräfte entnehmen, in dem Kapitel "Selbstverletzung" auf dieser Homepage.

 

Beachten Sie aber bitte auch die akademische, weiterführende Literatur zur Pseudoepilepsie:

 

als PDF-Downloads sehr zu empfehlen:

www.kleinwachau.de/uploads/pdf/NES-Info_2012-08-06ÖA.pdf

http://www.aerzteblatt.de/archiv/136964/Dissoziative-Anfaelle