49 Jahre Krebsforschung am Carl-Gustav-Carus-Institut in Niefern-Öschelbronn und bei der ABNOBA Heilmittel GmbH Pforzheim

Heinrich Brettschneider:

7 Jahrsiebte der Forschung zur anthroposophischen Menschenkunde der Krebserkrankung und deren Therapie auf anthroposophischer Grundlage

 

Um die menschenkundliche Forschung des Institutes darzustellen, sei der Versuch erlaubt, einen Überblick über die Entwicklung der Tumor-Biologie in der naturwissenschaftlichen Medizin im Verhältnis zur durch die Anthroposophie Rudolf Steiners bereits im 1. Viertel des 20. Jahrhunderts veröffentlichten geisteswissenschaftlichen Menschenkunde der Krebskrankheit zu geben. Um Missverständnissen vorzubeugen, sei hier allerdings darauf hingewiesen, dass der Gebrauch des Ausdruckes „geisteswissenschaftlich“ nicht auf die „Philologie“ i.S. einer Wissenschaft des menschlichen Geistes, sondern auf den real in der Natur und im Menschen wirksamen Geist hinweist.

 

Ich beginne beispielhaft mit Äußerungen Rudolf Steiners, der als erster die Injektion von Mistelsubstanz für die Krebstherapie vorschlug, weil deren Verständnis immer noch unsere „Zukunftsmusik“ ist, obwohl Steiners Äußerungen bereits vor einhundert Jahren veröffentlicht wurden:

 

Den Ärzten seines Umkreises schlug Rudolf Steiner bereits 1916 die weißbeerige europäische Mistel (Viscum album L.) als das spezifische Heilmittel gegen die Krebskrankheit des Menschen mit den folgenden Worten vor: „Der Baldur-Mythos gibt z.B. einen guten Begriff von der Gradation des Giftmäßigen […] Dass eine Schmarotzerpflanze einen gewissen Grad von Giftwirkung ausübt, das drückt sich in so wunderbarer Weise dadurch aus, dass Baldur gerade durch die Mistel getötet worden ist[1]."

 

Für viele anthroposophische Ärzte wurde dadurch die Frage geweckt: Ist die Mistel mit der Krebskrankheit vergleichbar oder deren Gegenbild?

 

1920, im so genannten 1. Medizinerkurs, formuliert Rudolf Steiner im 13. Vortrag: „An den inneren Karzinombildungen […] kommt man zuletzt zu der Anschauung, […] dass Entzündungen […] den vollen Gegenpol darstellen gegen die Geschwulstbildungen.“

 

Diesen Satz verstehen wir in der Art, dass der menschliche Organismus in sich ebenso die Prozesse enthält, die der Karzinombildung entgegenwirken, wie er ja offensichtlich auch die Prozesse enthält, die die Karzinombildung ermöglichen, mit anderen Worten gesagt: Ist der Karzinombildungsprozess ebenso lebensnotwendig, wie der entsprechend entgegengesetzte Krankheitsprozess? Wie käme es sonst dazu, dass diese Krankheit im Menschen auftreten kann? Wäre, wenn beide Gedanken richtig, Gesundheit demnach nicht das Gegenteil von Krankheit, sondern das Gleichgewicht einander entgegengesetzter Krankheiten?

 

Welches ist dann der hier bei Rudolf Steiner in dem Sinne angemessene Begriff der „Entzündung“, dass Entzündungen, wie oben zitiert, den vollen Gegenpol darstellen gegen die Geschwulstbildungen.“? Welches wäre also der Begriff der Entzündung? Und welches wäre der daraus wiederum resultierende Begriff der Karzinombildung?

 

Gibt es nicht sogar Entzündungen, die als solche bereits Vorstufen der Karzinombildung sind, wie z.B. die Raucher-Bronchitis, die Hepatitis C, die Colitis ulcerosa und viele weitere „Entzündungen“?

 

Im 14. Vortrag desselben Ärztekurses erfahren wir des weiteren: „Das Ohr ist eine Geschwulst im Inneren des Menschen, aber eben ins Normale ausgedehnt. Im Entwicklungsprozess ist das Augenbildende verwandt mit dem Entzündungsprozess.“

 

Es liegen also im Menschen sogar Organe vor, an deren normalen Bildeprozessen diese Polarität aus Karzinombildung und Entzündungsprozess im Gesunden studiert werden kann. Was ist damit gemeint? Welche Methodik braucht man, um mit solchen Hinweisen weiter zu kommen?

 

Noch im selben Jahr wird Rudolf Steiner deutlicher: Wir sehen nun also an diesem menschlichen Organismus etwas von dem auftreten, was sich gewissermaßen durch eine Überflutung dieses Organismus mit Organisationskräften, die hindrängen nach dem Sinnesmäßigen, ergibt. Wir haben in den karzinomartigen Bildungen etwas, wo im Organismus, gewissermaßen sich absondernd, Naturkraft organisierend auftritt, wo sich diese Organisationskraft einlagert in den Organismus.“ [2]

 

Doch gemessen an dem, was der „durchschnittliche mitteleuropäische“ Arzt erlebt, wenn ihm die Krebskrankheit am Krankenbett, oder im Operationssaal begegnet, muss diese Aussage ein Rätsel sein, weil er seine Urteile nicht an den Bildeprozessen der Krankheiten, sondern jeweils am physischen Endergebnis bildet: Ihm erscheint die Karzinombildung sogar im Gegenteil dazu wie ein Verlust der Formkräfte, der den Körper erbarmungslos „auffrisst“, also wie das genaue Gegenteil dessen, was Steiner hier als „Überflutung des Organismus mit Organisationskräften“ bezeichnet.

 

Im 2. Vortrag desselben Kurses wird die Überflutung des Organismus mit Organisationskräften als Ursache der Karzinombildung erneut angesprochen, nun aber als Aufgabe des Arztes, den ganzen Lebenslauf des Menschen, auch deren psychologische und geistige Prozesse mit in seine Wissenschaft einzubeziehen „[um] einzusehen, dass es im menschlichen Organismus möglich ist, dass Kräfte, die eigentlich ins Geistig-Seelische hineingehen sollten im richtigen Lebensabschnitte, unten bleiben in der physischen Organisation. […] Dann bleiben organisierende Kräfte da unten, treten irgendwo auf und wir erhalten . . . karzinomatöse Neubildungen.“

 

Wir brauchen also eine Onkologie, die die geistig-seelischen Kräfte des Menschen mit in das Krankheits- und Therapieverständnis integriert. Diese Onkologie ist in gewisser Weise durch die Anthroposophie dadurch gegeben, dass diese die geistig-seelischen Kräfte des Menschen nicht allein durch das Nervensystem gegeben sieht, sondern durch alles, das im Menschen geschieht: Das Nervensystem ist aus anthroposophischer Sicht ausschließlicher Träger des bewussten Vorstellungslebens.   

 

2 Jahre später kommt Rudolf Steiner erneut darauf zu sprechen, dass ein Gleichgewicht der Kräfte im gesunden Menschen herrscht, die für sich genommen Krankheiten sind und von denen die eine Seite des Gleichgewichtes die Karzinombildung ist:

 

Im Status nascendi tragen wir eigentlich immer latent die Tendenz in uns, dass unser Organismus verhärten werde nach innen, zentripetal, [man denke dabei an die Ohrbildung, Anm. HB] und dass er wieder aufgelöst werde nach außen, zentrifugal, [z.B. im Verlauf der Augenbildung, Anm. HB]. Nur sind die nach innen wirkende geschwulstbildende Kraft und die nach außen wirkende, eitrig entzündliche Kraft im normalen Menschenleibprozess im Gleichgewicht."

 

(Mit dem Begriff der "Entzündung" ist also hier nicht die Ansammlung von Entzündungszellen gemeint, wie dies z.B. in der heutigen Zellular-Pathologie gesehen wird, sondern der auflösende fiebrige Prozess, der sich nur funktionell offenbart, aber ebenso für die "Normalität" des Organismus notwenig ist, wie die "geschwulstbildende Kraft", Anm. HB).[3]

 

Angesichts dieser Sachlage war es nur konsequent, dass Rudolf Steiner den Ärzten erklärte: „Man muss studieren, welchen Weg dasjenige nimmt, was man durch die Injektion hervorruft, aber Sie erreichen niemals etwas, wenn Sie nicht eine wirkliche Wirkung (i.S. einer messbaren Wirkung, Anm. H.B.)  zustande bringen. Diese Wirkung [von injizierter Mistelsubstanz] drückt sich aus dadurch, dass Fieber zustande kommt. Es muss also die Injektion gefolgt sein von einem Fieberzustände. Sie können von vorneherein mit einem Misserfolg rechnen, wenn Sie nicht Fieberzustände hervorrufen."(Rudolf Steiner am 27.10.1922)

 

Aus Sicht der naturwissenschaftlichen Medizin liegt aber eine sehr bedenkliche, wenn nicht sogar potentiell gefährliche Nebenwirkung vor, wenn die Anwendung der Mistelsubstanz in der Krebstherapie mit Fieberzuständen einhergeht. Diese Art von Widerstand kam damals Rudolf Steiner bereits von Seiten der anthroposophischen Ärzte entgegen und machte nicht nur die Pharmazeutik zum sozialen Problem (die Mistel-Press-Säfte durften nach Steiners Angaben nicht hitzesterilisiert werden, wohingegen die Ärzte hatten schwerste hygienische Bedenken dagegen hatten), sondern behinderte schon damals die Mistel-Therapie der Krebskrankheit. Heute ist die geistige Lage nur deshalb noch komplizierter als damals, insofern die schulmedizinische Ärzteschaft, wie oben angedeutet, neuerdings auch die sklerosierenden Krankheiten, insbesondere die Arteriosklerose, als "Entzündungen" bezeichnet, weil sich in den Knotenbildungen der Arteriosklerose, den so genannten "Plaques" Entzündungszellen ansammeln.

 

Schon bald nach Steiners Tod wurde dessen primär hoch dosiertes Therapie-Konzept (siehe das Buch von Peter Selg) von den damaligen anthroposophischen Ärzten in der Richtung abgewandelt, der in der Richtung der in der Homöopathie bevorzugten Verdünnungen lag.

 

Bis in die 1990er Jahre galten deshalb „einschleichende“ Dosierungen als die allgemein gebräuchliche Methode der Misteltherapie des Karzinoms.

 

Erst durch Dr. Hans Werner, Mitbegründer des Carl Gustav Carus-Instituts und Gründer der Klinik Öschelbronn, erlebte die  ursprünglich von Steiner begründete, primär hoch dosierte Mistel-Therapie des Karzinoms aufgrund sensationeller Heilungserfolge gegen das primäre Leberkarzinom in Ägypten eine Renaissance.

 

Besonders die Arbeiten des Arztes Dr. Reiner Penter präzisierten die primär hoch dosierte Misteltherapie innerhalb der Klinik Öschelbronn noch erheblich (siehe Öschelbronner Akzente 2012/2013). Auch die goetheanistische Bearbeitung der Embryologie des Knochensystems durch Dr. Matthias Woernle in den achtziger Jahren gehört in diesen Zusammenhang, denn sie zeigt, dass sich das Knochensystem in zwei verschiedene Bereiche gliedert: Was daran primär unbeweglich, also sinnesartig veranlagt ist, verknöchert direkt, wohingegen die beweglichen, also dem Willen unterworfenen Teile des Skelettes erst indirekt, d.h. erst nach dem Durchlaufen eines Auflösungsprozesses verknöchern (Lit. M. Woernle).

 

Die zahlreichen Arbeiten von Dr Roselies Gehlig ergeben schließlich eine überwältigende Beweislast darüber, wie der Verknöcherungsprozess des Organismus mit der Krebskrankheit interagiert.

 

Auch meine eigene 30-jährige Beschäftigung mit der Plazentation der Säugetiere und des Menschen, die bis in die jüngste Zeit reicht, muss im Zusammenhang der Krebsforschung gesehen werden, da sich klar erweist, wie sehr insbesondere die Embryologie des Mesoderms, also des Keimblattes, das der Ossifikation und der Blutgefäßbildung zugrundeliegt,  zum Verständnis der Karzinombildung beitragen kann (Lit. H. Brettschneider).

 

Die Veranstaltung zahlreicher internationaler Wissenschafts-Symposien zum Thema Misteltherapie des Krebses verdanken wir namentlich dem organistorischen Einsatz von Dr. Rainer Scheer.

 

Die statistische Dokumentation und Zusammenfassung aller klinischen Ergebnisse der Misteltherapie wurde schließlich durch das Freiburger Institut für angewandte Erkenntnistheorie und medizinische Methodologie (Leitung: Dr Helmut Kiene und Dr Gunver Kienle) geleistet (siehe H. Brettschneider in Öschelbronner Akzente 2015).

[GL5] 

 

Der Entwicklung der anthroposophischen Krebstherapie soll nun die Entwicklung des naturwissenschaftlichen Verständnisses der Krebserkrankung gegenübergestellt werden. Dadurch soll aufgezeigt werden, welches Zukunftspotential die Misteltherapie innerhalb einer modernen integrativen Onkologie hat.

 

1. Die Virchowsche Theorie der „Zell-Entartung“:

Seit über hundert Jahren beherrscht die von Rudolf Virchow im 19. Jahrhundert begründete „Zellularpathologie“ nahezu alleinig das Denken in der naturwissenschaftlichen Medizin. Die „Zellularpathologie“ Rudolf Virchow denkt  sich bis heute den Organismus aus Zellen zusammengesetzt. Die wichtigste Grundannahme der „Zellularpathologie“ zur Krebsentstehung ist daher die so genannte „maligne Transformation“, auf deutsch: die „Entartung“ des Erbgutes einzelner Krebszellen.

 

 

2. Die „Immun-Theorie“ des Krebses

Erst zu Anfang der 60er Jahre des 20. Jahrhunderts kam ein andeutungsweise systemisches Verständnis der Krebskrankheit dadurch auf, dass man analog zur Infektionsabwehr auch die „Krebsabwehr“ als eine Leistung des so genannten „Immunsystems“ erkannt zu haben glaubte. Dies war insofern richtig, als damit tatsächlich die beiden Seiten des Immunsystems in das Blickfeld gerieten [GL6] 

 

3. Die „Neo-Angiogenese-Theorie“ des Krebses.

Ab der Mitte der 1970-er Jahre wurde das Zell-Labor in der experimentellen Krebsforschung schrittweise durch die experimentelle Gewebe- und Organzüchtung verdrängt. Diese experimentellen Einrichtungen ergaben immer mehr Befunde, die dafür sprachen, dass es zwar die „maligne Entartung“ einzelner Krebszellen gibt, dass aber die Tumoren, die daraus hervorgehen, nur wenige Millimeter groß werden können, wenn sie nicht durch ein entsprechendes Blutgefäßsystem in der Tumor-Umgebung unterstützt werden, das den Tumor mit Sauerstoff ver- und die entstehenden Stoffwechselprodukte entsorgt.

In der Fachsprache bezeichnet man die Neubildung eines Tumor-eigenen Blutgefäßsystems als „Tumor-Neo-Angiogenese“. Überraschenderweise stammen die neuen Blutgefäße aber nicht von den „entarteten“ Krebszellen ab, sondern entspringen der nur scheinbar gesunden Tumor-Umgebung. Sie bilden das den Tumor ernährende und schützende „Tumor-Bett“ und lösen alle Gewebeschranken, insbesondere alle Basalmembranen der Umgebung des Tumors auf. Nur die Tumor-Neo-Angiogenese ermöglicht also das expansive, destruierende und metastasierende Tumor-Wachstum (Literatur bei Brettschneider 1989).

 

Es gelang der naturwissenschaftlichen Medizin, Substanzen zu entwickeln, die eine Neubildung von Tumor-Blutgefäßen hemmen. Substanzen dieser Wirkungsweise nennt man deshalb „Tumor-Neo-Angiogenese-Hemmer“. Mehr als ein Dutzend davon ist bereits auf dem Markt und schon jetzt ist diese neue Richtung in der naturwissenschaftlichen Medizin erfolgreicher, als die einst mit so viel Hoffnung begonnene, „Tumor-Immunologie“. Doch die Nebenwirkungen dieser neuen Substanzen vermindern die Lebensqualität der Patienten oft deutlich, weil die Neubildung von Blutgefäßen auch für die Wundheilung notwendig ist, und damit einer der Hauptaufgaben des angeborenen Immunsystems entspricht.

20

4. Die „Organ-Bilde-Theorie“ der Krebskrankheit

Die Entdeckung der „Tumor-Neo-Angiogenese“ legt die Erkenntnis nahe, dass Tumore sich offenbar ganz analog dazu entwickeln, wie gesunde Organe in der Embryonalzeit entstehen: Der so genannte frühe „Keimschild“ des Embryos besteht ja beinahe nur aus „Stammzellen“, setzt sich also wie ein Mosaik aus den verschiedensten zellulären Grundbausteinen seiner späteren, hochspezialisierten Funktionsgewebe zusammen. Die eigentliche embryonale Organbildung setzt aber erst nach der Bereitstellung eines Blutgefäßsystems ein. In diese ernährende, atmende und als Niere funktionierende Umgebung wächst der „Keimschild“ des gesunden Embryos hinein, wie der Tumor in sein „Tumor-Bett“. Radikal neu ist nun aber, dass, wie sich erst in den letzten 15 Jahren herausstellte, ausgerechnet das angeborene Immunsystem selbst daran aktiv beteiligt ist, nicht nur das embryonale Blutgefäßsystem, sondern, wenn die Krebskrankheit ausbricht, auch die Tumor-Neo-Angiogenese bereitzustellen.

 

Der Journalist Gary Stix schrieb im Scientific American, Aprilheft 2008, daher sehr zutreffend:

„In den neueren Lehrbüchern erscheint ein Tumor nicht mehr nur als Klumpen entarteter Zellen; er umfasst auch ein Versorgungssystem, das heißt ein Mikroumfeld, das aus Immunzellen der unterschiedlichsten Typen, hin und her laufenden chemischen Signalen sowie einem Geflecht von Blutgefäßen besteht. Der Tumor erlangt so den Status eines außerplanmäßigen Organs, das aber keine sinnvolle Aufgabe hat, sondern ausschließlich seine eigenen Zwecke verfolgt.“

 

Wir bemerken erstaunt: Ein rein naturwissenschaftlich gebildeter Journalist formuliert hier die anthroposophische Krebstheorie, die rein empirisch aus den Experimenten der naturwissenschaftlichen Medizin abgeleitet ist!

 

Diese „auf den Boden gebrachte“ Krebstheorie zeigt, dass das „Immunsystem“ also keineswegs ein übergeordneter  „Sicherheitsdienst “ gegen die „Infektionen“ und damit gegen die großen Seuchen der Menschheit ist, sondern wie alle Organsysteme die Gesundheit nicht quasi "göttlich" personifiziert, sondern wie alle anderen Organsysteme auch, erkranken kann!

 

ondernDie eine Richtung der Erkrankungen des Immunsystems ist die Immunschwäche, die in AIDS ihren vollkommensten Ausdruck findet. Aber genauso, wie nicht nur eine zu schwache, sondern auch eine zu starke Schilddrüsen-Funktion krank macht, so kann das Immunsystem durch Überaktivität nicht nur die z.T. hoch lebensbedrohlichen Auto-Aggressions-Krankheiten hervorrufen, sondern auch zum größten „Helfer“ der Krebskrankheit werden.

 

Bleibt man hier wirklich konsequent im Denken „ganzheitlich“, so wird deutlich: Das Immunsystem muss im Ganzen neu und erstmalig als ein System angesehen werden, das nicht nur die gestaltliche Integrität des Organismus bewahrt, indem es die auflösenden, fieberhaften Krankheiten „abwehrt“, und Wunden verschließt.[GL7]  Darüber hinaus kann es auch eine gestaltbildende Tätigkeit entfalten, die nicht nur die Wundheilung übertreibt, sondern auch die Krebskrankheit so antreibt, dass expansives, destruktives und metastasierendes Tumorwachstum überhaupt erst möglich wird! [GL8] 

 

Zukunftsperspektiven

 

Welche Aufgaben für die Krebstherapie hat also die Forschung des Carl Gustav Carus-Instituts 49 Jahre nach seiner Gründung?

 

Die größte Herausforderung liegt immer noch in der Erschließung einer phänomenologischen Beobachtungsmethode der Natur und des Menschen, die zur Brücke gemacht werden kann für einen Zugang zum Geistigen im Menschen und in der Natur. Hier können wir auf die methodisch vorbildhaften Arbeiten von Wolfgang Schad in den siebziger Jahren und Thomas Göbel in den achtziger Jahren des letzten Jahrhunderts hinblicken. Aber der nächste grundlegende Schritt 

 

Wir können nun die Heilmittel-Idee der Mistel als das Gegenbild zur Krebskrankheit formulieren, und so die eingangs erwähnte Frage beantworten: Ist die Mistel ein Naturbild der Krebskrankheit, oder deren Gegenbild? 

 

Wie der Mensch heute konstituiert ist, emanzipiert er sich aus dem allgemeinen Kosmos nicht nur geistig durch sein Selbstbewusstsein, das auf dem biographischen Gedächtnis aufbaut, sondern auch leiblich mit Hilfe seiner Ich-Organisation.

 

 Nicht das Immun-System selbst, das nur ein Organsystem wie jedes andere ist, sondern die Ich-Organisation, das Geistglied des menschlichen Organismus, muss das Gleichgewicht halten zwischen der Immun-Schwäche  und der pathologischen Knochenbildung bis hin zur deplatzierten Sinnesorganbildung.

 

Krankheit ist also nicht das Gegenteil der Gesundheit, sondern der Verlust des Gleichgewichtes zwischen polaren, also einander entgegengesetzten Krankheitstendenzen. Wäre das erstere der Fall, hätte die WHO Recht, die immer noch behauptet, Krankheit sei die Abwesenheit von Gesundheit, die also Krankheit nur als die Abwesenheit von etwas und damit nur negativ zu sehen vermag. Durch die heutige Forschung ergibt sich aber ein positives Verständnis der Krebskrankheit, das Rudolf Steiner am Beispiel der Knochenbildung erläutert:

 

„Wenn dasjenige, was in der Ossifikation (Knochenbildung) und in der Sklerose (Gewebeverhärtung) normal ist oder erst abnorm auf seinem eigenen Felde im Laufe des Lebens wird, nach der anderen Seite schwingt und also dieser Prozess sozusagen nicht auf seinem Felde, sondern in anderen Organsystemen sich abwickelt, dann tritt etwas auf, was das krankhafte Gegenbild ist eines Vorkonzeptionellen, was wir in den verschiedenen Arten der Karzinombildung vor uns haben.“[5]

 

Überträgt man den Ausdruck „Ossifikation“ in einen evolutiven Zusammenhang (Literatur siehe Dr. R. Gehlig), so wird deutlich, dass deren den Menschen vom Umraum abgrenzende und aus sich selbst stellende Wirkung an den Kopfknochen als das leibliche Korrelat der Gesundheit hervortritt.

 

Die Mistel erscheint im Vergleich dazu nun wie ein klares Gegenbild der Verknöcherung und Abgrenzung von der Welt: Sie ist zwar selbst ein baumartiges Gewächs, aber sie kann nicht in der Erde, sondern nur auf anderen Bäumen wachsen. Und das Holz, das sie bildet, „verholzt“ erst, wenn sie gestorben ist. Schließlich, gewissermaßen als das "vorgeburtliche" Gegenbild dieser nachtodlichen Verholzung, bildet sie keine trockenen Samen mit Samenschale. Die Mistelsamen können auch nicht jahrelang bis zum Keimen in der dunklen Erde ruhen. Das Gegenteil ist der Fall: Die Mistel bildet stattdessen fruchtige, weiße Beeren, in denen nackt ein durch und durch grüner, wässriger Mistel-Embryo sitzt. Und dieser stirbt schon ab, wenn er nur zwei Tage vom Licht des Kosmos abgeschirmt wird! Die Verbreitung der Mistel wird schließlich durch Vögel erreicht, die diese Beeren fressen und die offenbar unverdaulichen Mistel-Embryonen gleich wieder auf den Ästen der Bäume ausscheiden. Die Mistel ist also insofern evolutiv zurückgeblieben, als sie sich nur rudimentär mit dem Wesen der Erde verbindet. Aber das ideale Krebsheilmittel wird sie erst dann, wenn es gelingt, alle irdischen Anpassungen durch eine spezielle Pharmazeutik rückgängig zu machen, die sie auf dem gemeinsamen Abstieg der gesamten Natur und des Menschen vom Kosmos herab auf die Erde bereits durchlaufen hat.

 

„Und daher wird nun versucht, dasjenige, was im Mistelbildungsprozess lebt, mit einer Maschine zu verarbeiten, die eine zentrifugale und eine radiale Kraft entfaltet […] So dass man dasjenige, was im Mistelprozess wirkt, umgestaltet zu einem ganz anderen Aggregatsprozess, und dadurch die Tendenzen in der mistelbildenden Kraft in einer konzentrierteren Weise verwenden kann, als sie heute, wo der Mistelprozess doch ein dekadenter Prozess ist, in diesem zutage tritt.“[6]

 

(wird Fortgesetzt)

 



[1] Rudolf Steiner: Zeitgeschichtliche Betrachtungen, GA 173, 13. Vortrag am 31.12.1916, Dornach 1966.

[2] Rudolf Steiner: Physiologisch-Therapeutisches auf Grundlage der Geisteswissenschaft, GA 314, 1. Vortrag am 7.10.1920, Dornach 1989

[3] R. Steiner: Erdenwissen und Himmelserkenntnis, GA 221, Der unsichtbare Mensch in uns. Das der Therapie zugrundeliegende Pathologische, Vortrag am 11. 02.1923, Dornach 1998.

[4] Rudolf Steiner: Anthroposophische Grundlagen für die Arzneikunst. GA 314, 2. Vortrag am 27.10.1922, Dornach 1989.

[5] Rudolf Steiner: Geisteswissenschaft und Medizin, GA 312, 7. Vortrag am 27.03.1920, Dornach 1999.

[6] Rudolf Steiner: Anthroposophische Menschenerkenntnis und Medizin, GA 319, 3. Vortrag am 3.9.1923, Dornach 1994.