Dornach, 5, Januar 1923

Erster Vortrag für die Arbeiter nach dem Brand des Goetheanum in der Silvesternacht. Die Zuhörer hatten sich beim Hereinkommen Dr. Steiners zum Zeichen ihrer Anteilnahme an dem Brandunglück alle von ihren Sitzen erhoben.

 

" Es ist schwer, etwas über den Schmerz auszusprechen, den ich empfinde. Ich weiß ja, daß Sie innig Anteil nehmen an der Sache, und ich brauche daher nicht viele Worte zu machen. Es darf aber doch vielleicht, nicht wahr, bei dieser Gelegenheit darauf aufmerksam gemacht werden, daß ich ja schon am 23. Januar 1921 hier in diesem Saale eine Stelle vorlesen konnte aus einer Broschüre, wo geschildert war der Ausspruch eines Gegners, man kann schon sagen Feindes, denn dieser Ausspruch hat ja dazumal gelautet: «Geistige Feuerfunken, die Blitzen gleich nach der hölzernen Mäusefalle zischen, sind also genügend vorhanden, und es wird schon einiger Klugheit Steiners bedürfen, versöhnend zu wirken, damit nicht eines Tages ein richtiger Feuerfunke der Dornacher Herrlichkeit ein unrühmliches Ende bereitet.» Sehen Sie, wo so gehetzt wird, ist es ja nicht besonders zu verwundern, daß dann dergleichen Dinge geschehen, und es ist natürlich auch eine Sache, die bei der großen Feindschaft, die bestand, eben leicht zu befürchten war. Daß sie leicht zu befürchten war, werden Sie ja begreifen. Aber, nicht wahr, es ist doch so, daß man auch jetzt noch sieht, in welcher Weise gewisse Kreise über die Sache denken. Man braucht nur diese Feindseligkeit in Betracht zu ziehen, braucht nur daran zu denken, welche Feindseligkeit darinnen liegt, daß Zeitungen den Geschmack haben, jetzt zu sagen, nachdem es geschehen ist: Hat denn der «hellsichtige» Steiner diesen Brand nicht vorausgesehen? Daß derlei Dinge außerdem noch eine Riesendummheit sind, darüber will ich jetzt nicht sprechen. Aber es liegt doch solch ein böswilliger Grad von Feindschaft darinnen, wenn man es. jetzt für nötig findet, derlei Sätze überhaupt in die Welt zu setzen! Daraus ersieht man ja, was die Leute denken, und wie roh es ist heute. Es ist roh!

Sie können aber überzeugt sein, ich selber werde mich von meinem Wege niemals abbringen lassen, was auch geschieht. Solange ich lebe, werde ich meine Sache vertreten, und werde sie in derselben Weise vertreten, wie ich sie bisher vertreten habe. Und ich hoffe natürlich, daß in keiner Richtung hier irgendeine Unterbrechung eintritt, so daß wir auch in der Zukunft in derselben Weise hier am Orte werden so zusammen arbeiten können - wenigstens wird es mein Bestreben sein -, wie es bisher der Fall gewesen ist. Denn es mag auch geschehen was immer, mein Gedanke ist, daß die Sache eben in irgendeiner Form wiederum aufgebaut werden muß. Und dazu soll alles gemacht werden, selbstverständlich. Also fortfahren in derselben Weise, wie wir es getan haben, müssen wir. Das ist einfach eine innere Verpflichtung. Nun möchte ich heute die Zeit dazu ausnützen, um Ihnen zunächst ein paar Dinge zu sagen, die noch zu dem dazu gehören, was wir das letztemal in einer etwas weniger schmerzlichen Zeit gesprochen haben. Ich habe mich dazumal bemüht, Ihnen zu zeigen, daß eine wirkliche Wissenschaft ja tatsächlich daran arbeiten muß, das Geistig-Seelische des Menschen wiederum zu erkennen. Aber ich glaube, daß Sie nicht wissen, wie stark das gerade in wissenschaftlichen Kreisen einfach die Leidenschaften hervorruft. Denn diese wissenschaftlichen Kreise, die sich heute so nennen, die von dem, der nicht hineinsieht in die Dinge, eben als etwas ganz Besonderes genommen werden, die sind schon diejenigen, welche, wenn es sich darum handelt, gegen die anthroposophische Bewegung anzugehen, dann bereit sind, mit allem, was es an Feinden gibt, gemeinsame Sache zu machen - sie machen gemeinsame Sache! Und sehen Sie, es ist die Feindschaft gegen die anthroposophische Bewegung wirklich nicht klein. Denn in den Tagen, in denen hier das Unglück geschehen ist, kam mir zum Beispiel ein Bericht zu von einer Vereinigung, die sich gebildet hat und die sich nennt: «Vereinigung von nichtanthroposophischen Kennern der Anthroposophie.» Das sind also Leute, die natürlich nichts zu tun haben mit dem jetzigen Unglück, die aber zu der ganzen Gegnerschaft gehören. Dieser Bericht schließt mit den Worten: «Es gilt einen Kampf auf Tod und Leben; die Seite wird siegen, die sich vom Heiligen Geist leiten läßt.» Nun, meine Herren, nach den idiotischen Dingen, welche die Leute gesagt haben, ist ja von vornherein vorauszusehen, daß — vom Heiligen Geist wohl ganz zu schweigen - überhaupt kein Geist bei den Leuten ist, die diesen Kampf auf Tod und Leben beschlossen haben; das ist einmal aus dem Versammlungsbericht ganz sicher zu entnehmen. Aber dennoch, die Wut, die vorhanden ist, drückt sich da aus in dem Satze: Es gilt einen Kampf auf Tod und Leben. Und diesen Kampf führen schon die Leute! Und die Anzahl der Gegner ist wahrhaftig nicht ganz klein. Wissenschaftliche Kreise, sogenannte wissenschaftliche Kreise beteiligen sich heute durchaus an diesen Dingen, und zwar in sehr intensiver Weise. Das ist dasjenige, sehen Sie, was ich eben immer wieder betonen muß, weil so stark heute die Autorität der Wissenschaft wirkt. Wenn irgendeiner etwas wissen will, geht er zu einem sogenannten wissenschaftlichen Fachmann, weil das eben so eingerichtet ist. Die Leute wissen doch nicht, auf welchem Wege diese Leute «Fachleute» werden, und daß man daneben der größte Idiot sein kann und doch ein «Fachmann» mit Zeugnissen und so weiter. Diese Dinge sind doch auch etwas, was einmal richtig gewußt werden muß, und deshalb ist es schon wichtig, daß man sich vom Fundament aus, von der Grundlage aus die Dinge klar macht, wie sie eigentlich liegen. Denn die allerersten Sätze, die heute schon den kleinen Kindern in der Schule - nicht direkt, aber indirekt - beigebracht werden, sind ja im Grunde genommen meistens ein Kohl! Dinge, die heute als selbstverständlich gelten, sind nämlich ein Kohl. So hat man heute die ganze Welt gegen sich, wenn man sagt: Es ist ein Unsinn, daß das Gehirn denkt. - Denn es gilt überall der Satz, daß das Gehirn denkt; und wo kein Gehirn vorhanden ist, kann nicht gedacht werden; da sind keine Gedanken, wo kein Gehirn vorhanden ist. Nun, aus meinen Vorträgen werden Sie gesehen haben, daß das Gehirn natürlich seinen Anteil an dem Denken und eine Bedeutung für das Denken hat. Wenn aber die Leute, die ihr Gehirn wahrhaftig wenig gebrauchen, behaupten, daß das Gehirn so eine Art Apparat ist, womit gedacht wird, so ist das eine bloße Gedankenlosigkeit. Wenn das irgendeiner, der bloß ein einfacher Mensch ist, glaubt, so kann man sich darüber nicht verwundern, denn er kann ja die Tatsachen nicht übersehen und er glaubt daran, weil eben die Autorität eine so große ist. Aber Logik, wirkliches Denken ist in diesem Satze nicht, daß das Gehirn denkt, und dafür will ich Ihnen heute ein paar Beweise geben. Sie werden doch ohne weiteres sehen, wenn Sie einen kleinen Käfer anschauen, der hat auch einen furchtbar kleinen Kopf. Wenn Sie zum Beispiel einen solchen Käfer wie den Totengräberkäfer nehmen und Sie reißen ihm den Kopf ab und gucken da hinein, so finden Sie alles eher als ein solches Gehirn, womit man vorgibt, daß es der Apparat zum Denken ist. Solch ein kleiner Käfer hat natürlich in dem Sinne, wie man immer behauptet: das menschliche Gehirn denkt, kein Gehirn, sondern er hat ganz kleine Knötchen, Nervenknötchen, aber gar nicht im geringsten auch nur den Anfang eines irgendwie ausgefüllten Gehirnes. Nun will ich Ihnen zum Beispiel eine Szene erzählen. Da muß ich Ihnen aber vorher noch sagen, daß diese Totengräberkäfer eine Lebensgewohnheit haben, die sie immer ausüben. Diese Totengräberkäfer legen ihre Eier, und aus den Eiern kriechen zuerst wurmförmige, madenförmige Tiere aus, die sich dann erst zum Käfer umwandeln. Diese kleinen Maden brauchen, wenn sie auskriechen, sogleich Fleischnahrung. Sie könnten nicht leben, wenn sie nicht Fleischnahrung hätten. Was tun daher die Totengräberkäfer? Diese Totengräberkäfer suchen irgendwo auf dem Felde eine Stelle, wo eine tote Maus oder ein toter Vogel liegt oder ein Maulwurf. Dann, wenn ein einzelner Totengräberkäfer, sagen wir, eine tote Maus gefunden hat, dann läuft er zunächst wieder weg; dann kommt er wieder zurück, aber nicht allein, sondern er kommt mit einer ganzen Menge anderer Käfer. Und diese Käfer, mit denen er jetzt zurückgekommen ist, die laufen zunächst den ganzen Ort ab um die Maus herum. Also denken Sie sich einmal, da liege eine Maus (es wird gezeichnet). Tafel u Die hat der Käfer ausfindig gemacht, hat sie entdeckt. Jetzt läuft er fort. Dann kommt er zurück, dieser Totengräberkäfer, mit einer ganzen Menge anderer solcher Totengräberkäfer. Diese sieht man da herumlaufen. Und manchmal sieht man, daß sie wieder weglaufen; man merkt sich das, wenn das so ist, wenn sie wieder weglaufen. Manchmal aber sieht man auch: die Käfer kommen, laufen da herum um die tote Mauss und nachher fangen sie an zu graben, und graben so, daß sie unter der Maus zuerst und ringsherum die Erde ausgraben. Da sinkt die Maus immer mehr und mehr in die Erde hinein. Sie graben da so lange, bis die Maus in die Erde hineingefallen ist. Dann holen sie die Weibchen, und die legen ihre Eier hinein. Und dann machen sie das Erdreich darüber wieder zu, so daß ein Mensch, wenn er darüber hingeht, nichts von der ganzen Sache sieht. Nun sagte ich Ihnen, daß manchmal die Käfer wieder fortlaufen. Wenn man das nun untersucht, so stellt sich heraus, daß, wenn die Käfer fortliefen, das Erdreich hart war. Die Käfer haben sich gesagt, da können wir nichts machen. Jedenfalls wenn sie bleiben und die Prozedur ausführen, dann ist weiches Erdreich da. Das Allermerkwürdigste, das unglaublich, aber wahr ist. Das Noch merkwürdigere aber ist das, wenn man darüber nachdenkt, warum mit einem solchen Käfer, der fortgelaufen ist, nur zehn oder zwölf, und nicht vierzig oder fünfzig Totengräberkäfer zurückkommen. Man merkt nämlich: es kommen niemals mehr Käfer zurück, wenn der fortgelaufen ist, als der zu der Arbeit braucht. Er stellt sich gar nicht mehr an, als er braucht. Aber es kommen auch nicht weniger. Der kommt gerade mit der Anzahl von Käfern, die die Arbeit bewältigen können. Das ist etwas, was unglaublich klingt, aber was ich erzähle, ist kein Märchen. Das haben Leute an allerlei Versuchen feststellen können. Es ist eine absolute Wahrheit. Und es war nicht etwa irgendein abergläubischer Mensch, sondern ein Mensch, der ein gesundes Urteil hatte, der sonst nur naturwissenschaftliche Untersuchungen gemacht hat in einer Zeit, in der die Naturwissenschaft noch besser war, ein Freund des Botanikers Gleditsch, der in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts Naturforscher war, der einmal Untersuchungen mit Kröten, mit richtigen Kröten gemacht hat. Die Versuche sind zu etwas ganz anderem bestimmt gewesen - Sie wissen ja, daß durch einen Froschschenkel zuerst die Elektrizität entdeckt worden ist. - Also er holte eine tote Kröte zum Trocknen. Was hat der Naturforscher getan? Er ist in den Garten gegangen und hat ein kleines Holzstückelchen genommen, auf das er die tote Kröte drauf gesteckt hat, damit sie in der Sonne recht schnell trocknet. Nach einiger Zeit ging er wieder hin und fand ringsherum, fest arbeitend, die Totengräberkäfer, eine Anzahl Totengräberkäfer. Er hat die Sache nicht weggenommen, sondern sich gedacht: ich will lieber achtgeben, was die da machen, was da draus wird, und hat diese Kerle, die Totengräberkäfer, ruhig arbeiten lassen. Und was haben die getan? Die haben so lange gegraben, bis der Stock umgefallen ist, und bis die Kröte Platz gehabt hat hier im Erdreich, im Erdloch. Dann haben sie die Weibchen ihre Eier ablegen lassen und haben dann den Stock, der da war, nicht etwa liegen lassen, sondern den haben sie begraben und nachher die Erde darüber gelegt über die Kröte. Wenn das ein Mensch täte, würde man sagen: er gräbt den Stock ein, damit jede Spur verwischt ist, wenn ein Mensch darüber geht. Die Totengräberkäfer machen es geradeso, wie es gescheite Menschen machen würden; denn ich bin überzeugt, eine ganze Anzahl von dummen Menschen würde das gar nicht einmal so gescheit machen. Also Sie sehen daraus, daß dasjenige, was man Gescheitheit, Verstand nennt, einfach vorhanden ist, ohne daß die Totengräberkäfer ihn haben. Nun kann immer noch einer sagen: Nein, das ist Unsinn, Verstand braucht das nicht zu sein. Das ist ganz blöd, wenn einer sagt, das ist Verstand, das ist einfach Instinkt. — Ich halte zwar jemand für blöde, der in diesem Fall das Wort Instinkt gebraucht, der auf diese Weise die Sache auf ein totes Gleis bringen will. Man will ein Wort haben. Das Wort «Instinkt» benützt man für alles, damit man sich überhaupt nichts vorzustellen braucht. Die Sache soll ich kennenlernen - es ist ja ganz gleichgültig, wie ich sie nenne -, die Sache soll ich kennenlernen. Aber es kann immerhin einer noch sagen: Gut, es ist trotzdem ein Unsinn, wenn der uns das erzählt; das wird eben dem Käfer angeboren, das vererben sie, da braucht man nicht an Verstand zu denken. Das liegt einfach in ihrer physischen Natur, und man braucht nicht daran zu denken, daß diese Käfer da einen Verstand haben. Nun will ich aber eine andere Geschichte erzählen, noch dazu eine, die ein ganz einwandfreier Mensch erzählt hat, und zwar diejenige Geschichte, die auch andere beobachtet haben, aber vor allem ein ganz einwandfreier Mensch, nämlich Darwin - auf Darwin schwören ja die Leute, nicht wahr —, nun nicht an einem Käfer, aber an einer Wespe erlebt hat. Die Wespen haben ja kein größeres Gehirn als die Käfer. Sehen Sie, auch solche Wespen brauchen für ihre Larven, für die Maden, die aus den Eiern auskriechen, gleich Fleisch. Und diese Wespen sind schwächer als die Totengräberkäfer, auch wenn sie beisammen sind. Und es kommt da noch dazu, dass sie nicht Maulwürfe oder tote Kröten brauchen können, sondern dass sie wiederum kleinere Tiere brauchen, wo es nicht nötig ist, dass mehrere fortgehen. Deshalb sammeln solche Wespen für ihre Maden andere kleine Tiere, wie Fliegen und dergleichen. Nun hat Darwin, der immer als der größte Naturforscher des 19. Jahrhunderts genannt wird, folgendes beobachtet: Eine Wespe, die ein solches Tier braucht, damit das Weibchen, das mit Eiern beladen ist, seine Eier ablegen kann, findet eine Fliege, eine tote Fliege am Weg. Sie will mit der Fliege fortfliegen, die tote Fliege ist ihr zu schwer. Was tut die Wespe? Sie beißt den Kopf und den Hinterleib ab und fliegt fort mit der Brust und den Flügeln. Das kann sie bewältigen, Brust und Flügel. Ohne Kopf und Hinterleib der Fliege fliegt nun die Wespe fort. Jetzt ist aber ein starker Wind, und die Wespe kommt nicht vorwärts. Sie arbeitet sich vorwärts - wie gesagt, Darwin hat dies alles beobachtet -, aber sie kommt nicht recht vorwärts wiederum, weil sich der Wind immer in den zwei Flügeln verfängt. Was tut da die Wespe, die beladen ist mit der Fliege? Sie fliegt auf den Boden, beißt die zwei Flügel ab und fliegt mit der Fliege ohne die Flügel weiter. Nun, da ist es unmöglich, anderes zu sagen, als dass es doch Überlegung ist; denn die Wespe hat sich ja nach dem Wind gerichtet. Das kann ihr doch nicht angeboren sein, beim Wind die Flügel auch noch wegzubeißen. Da muß man ja doch schon von dem, was man Verstand nennt, ausgehen und muß sich sagen: Wenn ich die Flügel nicht habe, dann verfängt sich der Wind nicht. Das kann doch nicht angeboren sein! So etwas ist ja unmöglich, daß es angeboren ist! Da ist das vorhanden, was man Überlegung nennt. Und die Folge davon ist, dass man sagen muß, da wirkt eben wirklich der Verstand. Daraus können Sie sehen, wie dasjenige gearbeitet hat, was Naturforschung im 19. Jahrhundert war. Ich habe Ihnen ganz absichtlich Darwin angeführt, der dies gesehen hat. Was hat Darwin aber gesagt? Darwin hat gesagt: Alles dasjenige, was uns bei Tieren entgegentritt, das geschieht nur durch die Vererbung und durch natürliche Zuchtwahl und so weiter. Ja, die Leute unterschlagen ja dasjenige, was sie selber wissen, um Theorien aufzustellen! Das ist eben das Hauptsächlichste, dass die Leute einfach dasjenige unterschlagen, was sie selber wissen, um bequeme Theorien aufzustellen, die durchaus nicht aus irgendeiner Wissenschaft bestehen, sondern mit denen man den Leuten Sand in die Augen streut. Gewiß, Darwin war ein großer Mann, und das, was er positiv geleistet hat, das hat keiner liebevoller anerkannt als ich selbst. Ich habe für Darwin geschrieben, alles mögliche. Aber man muss sich eben klar sein, daß selbst diejenigen, die schon etwas geleistet haben - das ist gerade das Merkwürdige -, schon etwas Größeres geleistet haben, an der Krankheit gelitten haben, dass sie gar kein Auge mehr hatten für Tatsachen. Das 19. Jahrhundert ist trotz seiner großen Triumphe in der Außenwelt eben dadurch charakterisiert, dass die Leute den Sinn für Tatsachen ganz verloren haben und einfach die Tatsachen unterschlagen haben. Nun gehen wir einmal weiter. Nehmen wir andere Insekten. An den Insekten muss man ja diese Sache gerade beobachten, weil man bei den Insekten ganz genau wissen kann: dadurch können sie nicht gescheit sein, dass sie ein großes Gehirn haben, denn das haben sie ganz sicher nicht. Deshalb muss man diese Sache gerade bei den Insekten beobachten. Ja, meine Herren, bei den Insekten, da ist es so, dass sie nicht nur diese Dinge ausführen, die ich Ihnen da beschrieben habe, sondern noch ganz andere Sachen. Die Insekten legen ja alle ihre Eier, und da kommt nicht gleich das Tier heraus, sondern immer eine solche Made, die sich erst umwandelt - bei den Schmetterlingen, die ja auch Insekten sind, ist es sogar noch komplizierter. Da kommt nicht zuerst eine Made heraus, sondern eine Raupe; die puppt sich ein, und aus der Puppe kommt dann erst der Schmetterling heraus. Da ist eben durchaus eine zusätzliche Umwandelung vorhanden. Nun sehen Sie, es gibt Insekten, die sind, wenn sie erwachsen sind, Vegetarier, die fressen bloß Pflanzen. Meine Herren, ich agitiere nicht für das vegetarisch Leben, das wissen Sie, aber diese Insekten sind eben Vegetarier. Sie fressen bloß Pflanzen. Aber das Eigentümliche ist vorhanden, dass ihre Larven, ihre Maden, wenn sie aus den Eiern auskriechen, trotzdem Fleisch brauchen. Also diese Insekten haben die große Eigentümlichkeit, dass ihnen zuerst etwas ganz anderes angeboren ist. Die bekehren sich erst, wenn sie ausgewachsene Tiere sind, zur Pflanzenkost. Wenn sie noch kleine Kinder sind und ganz anders ausschauen - wie Maden oder Würmer -, da fressen sie Fleisch. (Tafel 14)

Nun, was tun denn diese Tiere? Diese Tiere suchen sich andere Insekten, meistens Raupen, und legen in den Körper der Raupen die Eier hinein. Sie selber haben gar keinen Appetit mehr auf Fleisch, auf tierische Nahrung, aber sie wissen, dass aus den Eiern Maden auskriechen und Fleisch brauchen  - also legen sie ihre Eier in den Körper einer solchen Raupe oder eines anderen Insektentieres hinein. Aber das ist noch immer nicht so furchtbar viel, es gibt noch etwas ganz anderes. Man kann nämlich sagen: Diese auskriechenden Maden sind eigentlich schon furchtbar gescheit. Denn denken Sie einmal, es gibt solche, die angewiesen sind auf lebendige Tiernahrung. Wenn also die Eier gelegt werden, dann macht das Insekt, das einen Stachel hat, einen Stich in ein lebendiges anderes Insekt, das größer ist, und da werden manchmal sehr viele Eier drinnen abgelegt. So daß manchmal in einer solchen Raupe - da sind überall drinnen Stiche gemacht worden - massenhaft Eier drinnen sind, aus denen dann diese Maden auskriechen. Sie sind dann im Körper dieses anderen Insekts drinnen. Aber nur in lebendige Insekten werden diese Eier abgelegt, weil in dem Augenblick, wo das Tier, in das diese Eier abgelegt sind, krepieren würde, und alle diese Eier auch dem Tode ausgeliefert würden. Die Maden können nur von dem lebendigen Tierischen leben. Also denken Sie, wenn es einer einzigen solchen Made, die da auskriecht, passieren würde, dem Tiere, in das solche Eier hineingelegt sind, ein solches Organ zu zerstören, wovon das Tier, in das die Eier hineingelegt sind, den Tod hätte, dann müßten alle die Maden, die aus den abgelegten Eiern auskriechen, zugrundegehen. Nun sind diese Insekten aber so gescheit, dass niemals in einer solchen lebendigen Raupe etwas anderes gefressen wird als dasjenige, was nicht so notwendig ist für das Leben der Raupe, dass also die Raupe davon nicht stirbt. Also die lebensnotwendigen Organe werden geschont. Wenn noch so viele Eier da sind - es wird nur das im Inneren gefressen, was noch möglich macht, dass das Tier weiterlebt. Sehen Sie, das sind Dinge, die die Leute einfach wissen, die sie aber unterschlagen. Die Leute wissen das, unterschlagen es. Natürlich ist es ihnen unangenehm, wenn es ein anderer sagt, weil dadurch nicht nur die Unfähigkeit der Wissenschaft herauskommt, sondern die direkte Unredlichkeit, Unehrlichkeit der Wissenschaft. Daraus können Sie aber ersehen, dass man bei den Tieren wie den Insekten sagen kann: Sie haben ganz gewiss keinen Verstand, denn einen Apparat haben sie ja nicht zum Verstand, das Gehirn ist ja weg, aber das, was sie tun, in dem wirkt der Verstand. Das muss man sagen: der Verstand ist da. Die Tiere überlegen sich das ja nicht. Zum Überlegen braucht man schon ein Gehirn. Die Tiere überlegen sich das nicht, aber geschehen tut das, was Verstand ist. Ja, es geschieht sogar das, dass die Tiere etwas Ähnliches haben wie Erinnerung oder Gedächtnis. Sie haben nicht Gedächtnis, aber etwas Ähnliches. Das können Sie dann beobachten, wenn Sie, sagen wir, zum Beispiel Bienenvater sind. Die Dinge sind alle gemacht worden.

Hier steht ein Bienenstock. Die Bienen kriechen aus. Derjenige, der etwas wissen will, setzt nun diesen Bienenstock ein wenig weiter weg. Die Bienen kommen zurück, fliegen aber zunächst nach diesem Orte her. Na, schön, «Instinkt» selbstverständlich; da braucht man sich nicht zu verwundern darüber - sie fliegen in der Richtung, in der sie weggeflogen sind, wieder hin. Aber jetzt fangen sie an zu suchen. Sie fliegen weiter, suchen überall. Aber jetzt gehen sie nicht etwa gleich hinein, sondern da sieht man sie die längste Zeit draußen herumfliegen, und man kann ganz genau daraus entnehmen: sie untersuchen erst den Bienenstock, ob der ihr eigener ist, geradeso wie der Totengräberkäfer zuerst untersucht, ob die Erde weich oder hart ist! Also das zeigt, dass sie zwar nicht Erinnerung, aber etwas der Erinnerung Ähnliches haben, nämlich, sie müssen ja feststellen, ob das derselbe Bienenstock ist. Das tun wir mit unserem Gedächtnis, wenn wir feststellen wollen, ob es dasselbe ist. Die Bienen tun etwas Ähnliches. Sie sehen: Überall wirkt das, was beim Menschen durch den Kopf wirkt, zum Verstand wirkt. Überall wirkt Verstand, sogar im Insekt wunderbarer Verstand. Denn stellen Sie sich nur einmal vor, was das für ein wunderbarer Verstand ist, daß da die Insektenlarven, die da auskriechen, nicht etwa den Magen des Tieres sofort anbeißen. Wenn sie den Magen anbeißen würden, dann wäre alles gleich nachher kaputt. Wenn man diese Taktik verfolgt, die von den Menschen manchmal im Krieg ausgeführt wird, bekommt man schon ein bisschen Respekt vor dem Verstand, der da drinnen waltet (in dem Insekt) gegenüber dem Unverstand der Menschen! Nach dieser Richtung haben die Menschen gar nicht Grund, zu sagen: Wir haben allein den Verstand. Nun will ich Ihnen da noch etwas anderes sagen. Sie alle kennen Papier. Sie wissen, die Menschen haben das Papier, das wir heute benutzen, erst vor vier bis fünf Jahrhunderten erfunden. Früher hat man alles mögliche andere, Pergament und so weiter zum Schreiben verwendet. Aber das sogenannte Lumpenpapier, das hat ja die zivilisierte Menschheit erst vor vier bis fünf Jahrhunderten entdeckt. Vorher konnte man auf Leder und so weiter schreiben. Wie konnte man das entdecken? Das konnte man nur dadurch entdecken, dass man gewisse Substanzen in einer bestimmten Form zusammengemischt hat. Vielleicht war einmal einer von Ihnen in einer Papierfabrik. Das Papier ist zuerst flüssig, wird verfestigt und so weiter. Also es wird auf eine rein künstliche Weise, durch allerlei chemische und mechanische Mittel hergestellt. Sie werden vielleicht nicht nur Papier gesehen haben, sondern auch ab und zu ein Wespennest. Solch ein Wespennest ist ungefähr so aufgebaut (es wird gezeichnet): Es steht irgendwo auf, dann geht es so herum, dass die Wespen hereinfliegen können. Grau ist es, nicht weiß, sondern grau, aber es gibt ja auch graues Papier. Dieses Wespennest, das ist richtiges Papier! Wenn man fragt: Was ist das chemisch, woraus das Wespennest gemacht ist? - so ist es nach der chemischen Zusammensetzung ganz genau dasselbe wie unser Papier. Es ist richtiges Papier. Nun, die Wespen machen ihre Nester nicht erst seit vier bis fünf Jahrhunderten, sondern wahrhaftig seit Jahrtausenden! Daraus würden Sie sehen: die Wespen haben das Papier viel früher erfunden als die Menschen. Das ist einfach auch eine Tatsache.

 

Das Wespennest ist einfach aus Papier. Wenn die Menschen schon vor Jahrtausenden etwa den schlauen Gedanken gehabt hätten: wir wollen einmal nachschauen, aus was die Wespennester bestehen, so wären sie schon zum Papier gekommen. Aber die Chemie war dazumal noch nicht so weit. Aber auch das Schreiben war noch nicht so weit. Durch das Schreiben ist manches gekommen, was auch nicht gerade zum Heile der Menschheit dient. Aber jedenfalls ist es so, dass die Wespen das Papier seit unermesslich viel längerer Zeit fabrizieren als die Menschen. Ich könnte Ihnen natürlich nicht stundenlang, sondern tagelang davon reden, wie überall der Verstand ausgebreitet ist. Man findet ihn überall. Und beim Menschen ist es natürlich nur so, dass er den Verstand, der überall ausgebreitet ist, zusammenhäuft und dann ihn gebraucht. Und dadurch, daß er das ausgebildete Gehirn hat, dadurch kann er dasjenige, was überall in der Welt ausgebreitet ist, für sich gebrauchen. Also der Mensch hat eben das durch sein Gehirn, dass er den Verstand, der überall in den Dingen drinnen ist, für sich gebrauchen kann. Also nicht dazu haben wir unser Gehirn, dass wir Verstand erzeugen.

Das ist ja ein großer Unsinn, wenn wir glauben, dass wir Verstand erzeugen. Wenn wir glauben, dass wir Verstand erzeugen, so ist das gerade so dumm, wie wenn einer mit einer Wasserkanne geht und aus einem Teich Wasser schöpft, dann mit der Wasserkanne kommt und dann sagt: Sieh einmal an, da drinnen ist jetzt Wasser; du hast gesehen, vor einer Minute war noch keines drinnen: aus dem Blech ist das Wasser herausgewachsen!

Da wird ein jeder sagen: Das ist ein Blödsinn! Der war eben beim Teich und hat sich Wasser geholt; das ist nicht aus der Kanne herausgewachsen! - Aber die Gelehrten zeigen das Gehirn auf, das einfach auch den Verstand zusammensammelt, weil er überall ist, wie das Wasser, und sie behaupten, aus dem Innern wachse der Verstand heraus! Das ist genau so dumm, wie wenn man sagt, das Wasser wachse aus der Wasserkanne heraus, weil der Verstand auch dort ist, wo kein Gehirn ist. Ebenso ist der Teich nicht abhängig von der Wasserkanne. Der Verstand ist überall da. Schöpfen kann ihn der Mensch, den Verstand. Und geradeso wie man in der Wasserkanne das Wasser benützen kann, so kann der Mensch, wenn er den Verstand, der überall in der Welt ist, wie das Wasser, zusammensammelt, eben sein Gehirn benützen. Er tut das mit dem Verstand bis heute noch nicht in sehr ausgezeichneter Weise.

Aber Sie sehen, dass es schon auf richtiges Denken ankommt. Aber diejenigen werden niemals richtig denken - denn sie zeigen, dass sie nicht richtig denken wollen -, die da behaupten, der Verstand wird vom Gehirn erzeugt.

Und dieser Blödsinn ist heute Wissenschaft. Und handgreiflich, meine Herren, sind ja eigentlich die Dinge. Es ist einfach so, dass man daraus sieht: der Verstand, der muss ja erst gesammelt werden. Nun, Sie können das Gehirn nehmen, irgendwo Verstand sammeln wollen. Das sammelt nämlich gerade so wenig Verstand, als wenn Sie die Wasserkanne hinstellen, dann zurückgehen und erstaunt sind, dass da kein Wasser drinnen ist! Von selber sammelt die Wasserkanne kein Wasser. Von selbst sammelt auch das Gehirn keinen Verstand.

 

Was muss denn da sein, damit das Gehirn Verstand sammeln kann? Sie können nicht das Gehirn für sich allein lassen, geradesowenig wie Sie nicht die Wasserkanne für sich allein lassen können. Wenn Sie glauben, Sie bestehen nur aus Blut und Nerven und Gehirn - das alles ist die Wasserkanne; es muß etwas da sein, was sammelt, was das Gehirn benützt, um den Verstand zusammenzusammeln. Und das ist das Geistig-Seelische, das so sammelt, das so in den Menschen kommt, wie ich schon neulich gesagt habe, das schon vorher vorhanden ist in der geistig-seelischen Welt und nur das Physische benützt. Wenn man also die Tatsachen nicht unterschlägt, wenn man also wirklich darauf kommt, daß der Verstand überall ist, wie das Wasser, dass er zusammengesammelt werden muss im Gehirn, wie das Wasser in der Kanne, dann muss man auch den Sammler suchen, wenn man ein ernsthafter Wissenschaftler sein will und nicht ein Scharlatan.

 

Das ist dasjenige, was einfach die Benützung der klaren Vernunft ergibt. Es ist nicht wahr, dass anthroposophische Geisteswissenschaft weniger wissenschaftlich ist als das andere, sondern es ist viel mehr Wissenschaft - viel mehr an Wissenschaft. Was die Leute für Logiker sind, das konnte man vorgestern sehen. Sie wissen, dass jetzt hier ein naturwissenschaftlicher Kurs gehalten wurde. Ich habe Ihnen schon erzählt, wir haben in Stuttgart Experimente darüber gemacht, was die Milz für eine Aufgabe hat, und wir haben das bestätigt, dass die Milz die Aufgabe hat, als eine Art Regulator des Nahrungsrhythmus zu dienen.

 

Das heißt, das Blut hat im Menschen einen bestimmten Rhythmus, der Puls, nicht wahr, zweiundsiebzig Pulsschläge - die müssen da sein. Die hängen aber mit der Nahrungsaufnahme zusammen. Ein bisschen sehen ja die Menschen darauf, das auch ihre Nahrungsaufnahme einem Rhythmus unterliegt. Aber die Menschen können das wenig; bald isst einer da, bald da. Und erst wenn man auf die Substanzen sieht: da isst einer das, was brauchbar ist und unbrauchbar ist. Da ist keine Gleichmäßigkeit drinnen wie im Blut. Wenn ich einmal zum Beispiel statt um ein Uhr um zwei Uhr gegessen habe, so ist eine Unregelmäßigkeit da. Denn das Blut richtet sich nicht darnach, macht keine anderen Pulsschläge; das will die Nahrung zur selben Zeit haben. Da ist die Milz - die gleicht das aus. Das suchen wir durch Experimente nachzuweisen, und das ist auch gelungen - wenigstens bis zu einem gewissen Grade; es müssen weitere Experimente gemacht werden, es muss bald geschehen —, aber es ist gelungen, bis zu einem gewissen Grade nachzuweisen, dass die Milz ein Regulator ist, der einfach macht, dass, wenn wir auch unregelmäßig essen, die Nahrungsmittel so lange in den Därmen bleiben, wie es das Blut braucht. Und wenn wir nicht allzustark hungern - wenn wir allzustark hungern, dann kann die Milz auch nichts mehr machen -, dann bewirkt die Milz, dass aus unserem eigenen Körper das Fett genommen und noch das Blut damit versorgt wird. Sehen Sie, weil wir ganz ehrlich waren, hat Frau Kolisko in ihrem Buche ehrlich geschrieben, dass ich in einem medizinischen Kurs angegeben habe, dass die Milz diese Aufgabe hat, und dass sie dann die Versuche gemacht hat, die die Sache bestätigen. Und da hat ein Münchner Professor gesagt: Nun, das ist ja freilich leicht. Da bekommt man von der Anthroposophie die Angaben; die hat man schon in der Tasche. - Wenn man dann Versuche und Experimente darüber macht, dann ist das, wie die Leute sagen, keine voraussetzungslose Wissenschaft^ denn man kommt schon mit der fertigen Angabe und

macht dann eben noch den Versuch dazu.

Warum sagt er das? Weil die Kerle überhaupt nicht nach irgendeinem Gedanken arbeiten wollen, sondern sie wollen, dass man ihnen möglichst viel Material in ihre Kabinette liefert, und da fangen sie an zu experimentieren, blind darauflos zu experimentieren, bis überhaupt irgend etwas herauskommt. Und das nennen sie voraussetzungslose Wissenschaft. Da ist überhaupt keine Voraussetzung da. Dass da zufällig manchmal großartige Sachen gefunden werden - nun ja, ein blindes Huhn findet auch manchmal ein Korn! Aber wie kämen wir vorwärts, wenn nicht nach diesen Ideen gearbeitet werden soll in unseren Kabinetten? Was hat also der Münchner Professor gesagt? Das ist keine voraussetzungslose Wissenschaft, sondern da arbeitet man schon mit Angaben. Nun denken Sie, irgendwo hätte man schon Versuche gemacht, die festgestellt hätten, daß es sich so verhält mit der Milz, aber die Beschreibungen wären einmal verbrannt bei einem Brande, so hätte einer nur noch das Ergebnis gewußt, was herausgekommen ist. Hätte nun nicht einer hinterher kommen und sagen können: Nun mache ich diese Versuche ein zweites Mal! - Der hätte auch nichts anderes gehabt als diese Angaben. Dann müßte solch ein Professor kommen, der das sieht, und sagen: Ja, der hat ja schon die Angaben in der Tasche, das ist keine voraussetzungslose Wissenschaft. - Das wäre eine Trottelei.

Der Unterschied ist eben nur der, daß ich die Angabe aus dem geistigen Verfolgen der Sache gemacht habe, aber so gemacht habe, dass sie anatomisch nach der Wissenschaft durchaus verfolgbar ist, und der andere braucht eben die Bestätigung durch Versuche, die er macht, für dasjenige, was genau angegeben war. Es braucht also bloß die Aufgabe, einen richtigen physischen Beweis zu führen für das, was ich gesagt habe. Es ist also gar kein logischer Unterschied, ob ich das sage aus meiner Erkenntnis heraus, die auf geisteswissenschaftlichem Wege gefunden worden ist, oder ob einer das schon früher durch Versuche gehabt hat.

Wenn einer also sagt: Das ist voraussetzungslose Wissenschaft - und das würde er sagen, wenn das auf physischem Wege gefunden worden wäre und die Beschreibungen der Versuche verbrannt worden wären, das würde er gelten lassen; aber wenn es die Anthroposophie macht, dann ist es keine voraussetzungslose Wissenschaft - ja, meine Herren, was bedeutet das? Das bedeutet, dass man nicht ehrlich ist, sondern dass man einfach alles dasjenige, was von der Anthroposophie kommt, von

vorneherein verketzert. Nicht um voraussetzungslose Wissenschaft handelt es sich den Leuten, das sagen sie nur. Sie sind ja so töricht, dass sie nicht merken, daß das ein logischer Blödsinn ist. Aber sie sagen, «das ist keine voraussetzungslose Wissenschaft», aber nicht aus dem Grunde, weil das logisch wäre, sondern weil es von der Anthroposophie kommt, und die Menschen eben zu töricht sind, um das zu begreifen, was von der Anthroposophie kommt. Natürlich sind sie wütend, weil sie es nicht begreifen können, und deshalb verketzern sie es. So beruht also die ganze Sache darauf, daß die Anthroposophie verketzert wird, daß diese Menschen, die überall sogenannte Wissenschaft betreiben, nicht denken, Anthroposophie nicht verstehen können. Das liegt in unserer ganzen Zivilisation.

Man kann heute ein großer Wissenschafter, ein Gelehrter sein, ohne wirklich denken zu können. Dasjenige, was kommen muss, ist, dass man die Ehrlichkeit kultiviert, die alle Tatsachen berücksichtigt, nicht bloß diejenigen, die einem bequem sind, um irgendeine Theorie aufzustellen, mit der man den Leuten Sand in die Augen streut. Sehen Sie, ein großer Teil der Wut gegen die Anthroposophie beruht einfach darauf, dass die Anthroposophie ehrlich ist und man ihr das nicht erlauben will. Und wenn die Leute mehr Wahrheit empfinden würden, so würden sie wahrscheinlich oftmals die Feder niederlegen schon beim zweiten Satz. Weil aber das Ganze, was sie als gegnerisches Gebäude aufführen müssen, zerfällt, wenn man wirklich Anthroposophie ins Auge fasst, so erfinden sie allerlei Zeug über die Anthroposophie. Und die Leute, die über Anthroposophie allerlei Zeug erfinden, denen ist es ja nicht um die Wahrheit zu tun.

Und die Leute, die anfangen, einmal die Unwahrheit zu sagen, die gehen auch weiter. Daher kommen auch die großen Verleumdungen über die Anthroposophie. Und was ist die Folge? Dass natürlich derjenige, der das nicht durchschauen kann, glaubt, die Anthroposophen seien allerlei Teufel. Derjenige, der das nicht durchschauen kann, glaubt natürlich den Autoritäten, die die Unwahrheit sagen. Das ist dasjenige, unter dem die Anthroposophie am allermeisten leidet, dass man über sie überall die Unwahrheit sagt, während sie einfach darauf aus ist, die Tatsachen richtig ins Auge zu fassen und richtige Wissenschaft ist.

Deshalb muss man schon ein wenig, wenn etwas so furchtbar Schmerzliches geschieht, wie es hier jetzt geschehen ist, auch darauf hinschauen, wie eigentlich die Dinge sind, wie wirklich die Dinge sind, und wie eigentlich gehetzt wird, gehetzt wird aus lauter Unwahrhaf tigkeit heraus. Ich selber bin absolut dagegen, dass von unserer Seite selber eine Hetzerei kommt. Natürlich kann ich nicht alles verhindern. Aber nicht wahr, wenn ich zu Ihnen spreche, so ist es so, dass ich einfach auf die ganz strikten Tatsachen hinweise. Denn das, was ich Ihnen heute erzählt habe, sind eben strikte Tatsachen, und ich habe nur eine allgemeine Charakteristik des wissenschaftlichen Lebens daraus gezogen. Sie werden sich selber sagen müssen: Wo man solche Tatsachen nicht berücksichtigt, da herrscht eben kein Wille, wirkliche Wissenschaft zu schaffen, sondern da herrscht der Wille, den Leuten Sand in die Augen zu streuen, wenn auch in recht unbewusster Weise. Da müßten die Leute viel gescheiter sein, als sie sind. Wenn Sie etwas zu fragen haben, möchte ich, dass Sie ganz aus Ihrem Herzen heraus sprechen. Im übrigen aber möchte ich mich nicht beirren lassen durch das große Unglück, das geschehen ist. Deshalb habe ich Ihnen nicht die ganze Zeit etwas vorjammern wollen, sondern wollte Ihnen etwas Nützliches sagen.