1975, noch im Vorfrühling, begegnete ich Thomas Göbel zum ersten Mal. Das war auf einer der therapeutischen Konferenzen, die die "Gesellschaft zur Förderung der Krebstherapie e.V." zu Pforzheim damals noch monatlich in den Räumen des Zweighauses in Pforzheim für Ärzte und Pharmazeuten abhielt. Und das "Carl Gustav Carus-Institut", zu dessen Begründern Thomas Göbel gehörte, befand sich noch in den Kellerräumen der Praxis von Dr. Hans Werner in der Kopernikus-Allee zu Pforzheim.
Zufällig saß er rechts von mir an einem großen runden Tisch, und als von einer niederen Pflanze die Rede war, der Echten Mondraute, Botrychium lunaria L., kannte ich diese noch nicht. So fertigte er mir auf meine Frage nach dieser Pflanze, die ich an ihn als einen mir ja noch völlig fremden, zudem auch recht vierschrötigen und kompromisslos individualistisch im Fidel-Castro-Stil gekleideten Tischnachbarn richtete, in einer für mich durchaus überraschenden, widerstandslosen Liebenswürdigkeit eine Bleistiftzeichnung an. Sie zeigte mit liebevollster Detailgenauigkeit dieses ja relativ kleine und unscheinbare Farngewächs, auf dass ich nicht völlig ahnungslos über dessen Aussehen bleiben musste.
Unsere zweite Begegnung fand dann schon im Hause der Klinik Öschelbronn statt, aber noch im Frühjahr 1975. Die untere Station, deren Stationsarzt ich war, war noch nicht voll belegt und die obere Station noch nicht einmal eröffnet. Voller Ungestüm, und absolut neugierig, stürmte ich in einer kurzen Verschnaufpause über die Treppe nach oben, gewissermaßen zum Olymp hinauf, in dem sich nun das "Carl Gustav Carus-Institut" ganz neu in der damals obersten Etage des Klinikbaues eingerichtet hatte.
Dort angekommen, hielt ich es für völlig normal, in Thomas Göbels Arbeitsräume einzutreten. Jedoch erwies sich, dass offenbar er selbst ebenfalls gerade beschlossen hatte, dieselbe Türe, jedoch in der entgegengesetzten Richtung, zu begehen, und ich erlebte unmittelbar am Gegendruck der Türe, welch außerordentlicher Wille sich in diesem zwar kleinen, aber dafür umso gedrungeneren Manne darlebte.
Möglicherweise hatte er mein Zurückgeworfensein gar nicht bemerkt, denn er stellte mich unvermittelt zur Rede: »Herr Brettschneider, wo befindet sich jetzt ihr Ich?« – Ganz unabhängig von den physischen Begleitumständen dieser zweiten Begegnung war das geistige Überraschungsmoment dieser Frage so groß, dass ich mich unwillkürlich am Türpfosten festhalten musste, um nicht einfach der Länge nach zu Boden zu gehen. Und natürlich fiel mir auch nicht sogleich eine geeignete Antwort ein. Statt dessen aber wurden in mir bis dahin noch unbekannte Fragen geweckt.
Naturbeobachtung und Geisterkenntnis
Erst in den folgenden Jahren wurde deutlicher, was sich, wie in einem Brennglas fokussiert, schon gleich zu Beginn als janusköpfiges Arbeitsprogramm offenbarte, das nahezu zwei Jahrzehnte intensivster persönlicher Kooperation erfüllen sollte: Liebevolle Wahrnehmung der äußeren Natur sollte sich mit dem Versuch verbinden, im irrlichterierenden Strom des Bewusstseins festen Zugriff zu finden. So sollten die zur Vereinzelung neigenden Sinnesdaten der äußeren Naturbeobachtung mit innerer Geist-Gewissheit zur Einheit gebracht werden, wie dies schon Johann Wolfgang von Goethe und Rudolf Steiner auf jeweils sehr verschiedene Weise vorgelebt hatten.
Therapiebedürftigkeit des Menschen
Die Beschäftigung mit Goethe und Steiner führte Thomas Göbel dazu, sich gleichermaßen intensiv mit den Naturwissenschaften wie auch mit Philosophie und Kunst, also mit den ehemals vereinten drei Mysterien des menschlichen Geistes, zu beschäftigen.
Dabei galt in den Naturwissenschaften sein besonderes Augenmerk dem Verständnis der Erde als eines lebenden Organismus. In der Philosophie interessierte ihn besonders die Psychologie des Erkenntnisprozesses und die Entwicklung einer spirituellen Sinneslehre. In der Kunst beschäftigten ihn zunächst vor allem die Architektur, Malerei und plastische Kunst, im späteren Verlauf aber mehr und mehr die Eurythmie als das eigentliche Herzstück eines anthroposophisch inspirierten Kulturimpulses.
Stets aber war die Größe dieses Interessenkreises nicht Selbstzweck, sondern musste sich der Therapiebedürftigkeit des Menschen einfügen, denn in ebenso bemerkenswerter wie auch tragischer Weise war für Thomas Göbel der medizinische Impuls der Anthroposophie von oberster Dringlichkeit. Bemerkenswert war dies durch die außerordentliche seelische Intensität, mit der er seine selbstgewählte Aufgabe in die soziale Praxis umzusetzen suchte. Tragisch war sein Lebensweg in dieser Hinsicht zugleich vor allem dadurch, dass er dabei auf dem sozialen Felde sich selbst am meisten im Wege stand. Dies Letztere resultierte erstens aus seinem wohl außergewöhnlichen, überwiegend cholerischen Temperament, zweitens aber auch aus einer ihm eigentümlichen Neigung zur Ritualisierung, obwohl er dieselbe zugleich auch dort, wo er sie an anderen bemerkte, auf das schärfste bekämpfte.
Schon bei unserer dritten Begegnung ergab sich, dass unser gemeinsames Leben und Arbeiten kein Spaziergang werden sollte. Ein Arzt der Klinik, der gern am Wochenende mit dem Campingbus unterwegs war, brachte ein etwa anderthalb Meter langes Prachtexemplar des Gelben Enzians aus den Vogesen mit, legte es bei der damals noch gängigen, wöchentlichen Besprechung der Klinikärzte mit dem Carus-Institut vor Thomas Göbel auf den Schreibtisch hin und sprach: »Sagen Sie etwas!«.
Der so Herausgeforderte antwortete prompt: »Dafür brauche ich aber mindestens 3 Jahre!« – und schon hatte ich selbst mein persönliches Arbeitsprogramm, das mich letztlich etwa neun Jahre lang faszinieren sollte: Die Metamorphose der Enziangewächse.
Die Metamorphose-Idee als Wegweiser des Geist-Suchers
Für diese Aufgabe gedachte ich, mir Wolfgang Schads Arbeit »Zur Biologie der Gestalt der mitteleuropäischen buchenverwandten Bäume« zum Vorbild zu nehmen. Sie lag damals in einem schmalen Heftchen als Sonderdruck des Institutes vor (mittlerweile ist sie in dem Sammelband »Goetheanistische Naturwissenschaft Band 2: Botanik« abgedruckt, herausgegeben von Wolfgang Schad, Stuttgart 1982) und wandte in gelungenster Manier die Goethesche Entdeckung der Kompensation in der Metamorphose der Säugetiere auf die Pflanzenwelt an: Goethe hatte gefunden, dass den Horntieren insbesondere die oberen Schneidezähne fehlen, während andererseits die ja durchweg hornlosen Nagetiere ihren »Hornmangel« durch besonders prächtige Schneidezähne »kompensieren«.
Nun konnte Schad zeigen, dass ein ganz sinnenfälliges »Kompensieren« auch die Metamorphose der buchenverwandten Bäume kennzeichnet, zu denen so gegensätzliche Gestalten wie die Hängebirke auf der einen und die Steineiche auf der anderen Seite gehören. Auf die feingliedrigste Weise behandelte Wolfgang Schad diese große Polarität vermittels der vielen weiteren Arten dieser Pflanzenverwandtschaft vom Aspekt der Baumgröße bis hin zu den kleinsten Einzelheiten der Blatt-, Blüten- und Fruchtbildung.
Doch die Übertragung dieses goetheschen Ergebnisses auf die Pflanzenwelt wollte mir im Falle der Enziangewächse nicht gelingen. Erst als klar war, dass es offenbar nicht nur den Modus der Kompensation, sondern auch eine Abwandlung der Pflanzengestalt in einer Weise gibt, die man als eine wechselseitige Durchdringung gegensätzlicher Bildekräfte bezeichnen kann, konnte es weitergehen:
Es gibt offenbar auch den Fall, dass Polaritäten nicht ausgleichend, sondern im Gegenteil, durch Übersteigerung vermittelt werden. In der Mitte zwischen den Extrempolen, wo bei der kompensatorischen Metamorphose ein Ausgleich gelingt, treten die Gegensätze noch schärfer hervor, wenn gegensätzliche Bildekräfte nicht schrittweise auseinandergelegt werden, sondern sich gegenseitig durchdringen. Das war mein Befund an den Enziangewächsen, an dem kein Weg vorbeiführte: Der wurzelbetonteste Vertreter der Gattung Gentiana, der gelbe Enzian (Gentiana lutea L.) bildet mit dem blütenbetontesten, dem stengellosen Enzian (Gentiana acaulis L.) zusammen die Mitte dieser Gattung. Hingegen erweisen sich der Kreuzenzian (Gentiana cruciata L.), als einziger europäischer Vertreter einer riesigen (d.h. extrem artenreichen) asiatischen Sektion innerhalb der Gattung Gentiana und der nur in Westeuropa vorkommende, monotypische, atlantisch-maritime Fadenenzian (Cicendia filiformis), als die Pole der Familie der Enziangewächse.
Mit anderen Worten: Nicht nur die primären Sinnesphänomene, sondern auch die Metamorphose als solche wird offenbar in der endlos erfindungsreichen Natur in verschiedenen Modi ab- und umgewandelt. Es gibt also nicht nur "die Metamorphose der Pflanze", also der "Urpflanze" Goethes, sondern auch die "Metamorphosen der Pflanze", mithin also mehr als nur eine Urpflanze!
Kaum war dieses Ergebnis mitgeteilt, konnte Thomas Göbel eine ganze Reihe von Pflanzenfamilien neu bearbeiten, deren Verständnis ihm bis dahin noch unbefriedigend geblieben war. Und er konnte auch einen dritten Modus der Metamorphose entdecken, der selbst solche Sonderlinge in der Natur wie etwa die Weißbeerige Mistel, Viscum album L., mit umfasst.
Dieser dritte Modus steigert die Gegensätze nicht, vermittelt sie auch nicht, sondern hält sie in einem Zustand der bloßen Möglichkeit ihrer Entfaltung zurück, so ähnlich, wie ja auch im Menschen selbst unendlich viel mehr veranlagt ist, als schließlich zur Ausbildung gelangt: Der Mensch ist, wie Goethe schon bemerkte, nicht etwa bloß ein höheres Tier, sondern, wenn überhaupt, dann gleich alle Tiere auf einmal - der Möglichkeit nach!
Die gemeinsame Arbeit, an der sich auch mein ursprüngliches Vorbild Wolfgang Schad beteiligte, führte schließlich dazu, noch einen vierten Metamorphose-Modus zu entdecken. Diese Vierheit der Metamorphose-Modi spiegelt die Tatsache wieder, dass es ja auch vier Naturreiche gibt:
1. Das Mineralreich,
2. Das Pflanzenreich,
3. Das Tierreich,
4. Das Menschenreich.
Wie die Metamorphosen der Pflanzen damit alle Naturreiche mit einschließen, wie ihre Bindeprozesse also die Urbilder für alles das hergeben, was in der Natur existiert, wird hier andeutungsweise skizziert:
Wenn die höhere Blütenpflanze aus dem Samen keimt (und nur von der höheren, der bedecktsamigen Blütenpflanze ist die Rede, wenn hier der Begriff der Pflanze verwendet wird), dann ist ihr erster Bildemodus der des sukzedanen Wachstums. Damit soll gesagt sein, dass alle Organe, die die Pflanze zunächst bildet, nacheinander veranlagt und ausgestaltet werden. Dieser Modus der Organbildung ist also bezüglich seiner Zeitgestalt als ein "Nacheinander" zu bezeichnen, der die höheren Blütenpflanzen so lange charakterisiert, als sie noch nicht blühen.
Mit der so genannten "Blüteninduktion" ändert sich dies insofern radikal, als nun, wenn der Blühimpuls die Pflanze ergreift, alle Organe gleichzeitig, also simultan veranlagt werden. Die Ausgestaltung der einzelnen Blütenteile kann dennoch sukzedan erfolgen, was insbesondere der Fall ist, wenn mit dem Blühimpuls ein ganzes System von Blüten und Blütenorganen veranlagt wird. Eines der häufigsten Beispiele eines solchen "Blütenstandes" aus zahlreichen Einzelblüten ist die Korn-Ähre, die ja schon beinahe wie eine Vogelfeder aussieht, ein anderes ebenfalls sehr häufig zu sehendes Beispiel dafür ist die Sonnenblume, deren radförmige "Blütenstände" zwar als einheitliche Bildung erscheinen, aber aus zahlreichen, spiralig angeordneten Einzelblüten zusammengesetzt sind. Solche Blütenstände oder auch Sammelblüten kann man dem simultanen Bindemodus zuordnen, der durch das Nebeneinander aller seiner Organe gekennzeichnet ist.
Mit der Fruchtbildung setzt abermals ein neuer, ein dritter Bildemodus ein, der erstmals in der Pflanze zur Bildung eines Innenraumes führt. Dieser Modus ist allein durch seine Räumlichkeit des Ineinanders charakterisiert und entspricht insofern dem Bildemodus der Tiere, die aber im Unterschied zur Pflanze ein seelisches Innenleben, die seelische Empfindung ausbilden, die auch der Ausgangspunkt der Instinkte und Triebe der Tiere sind..
Doch zum echten Innenraum wird die Pflanzenfrucht nicht schon dann, wenn sie einen Hohlraum bildet, sondern erst dadurch, dass dieser Innenraum ein weiteres Pflanzenorgan beherbergt, den Samen. Dieser Same ist aber nur aufgrund seiner Kleinheit, also nur scheinbar ein Pflanzenorgan, in Wirklichkeit ist er aber eine ganze Pflanze, nur: Was ist das für ein merkwürdiger Zustand, in dem sich hier die ganze Pflanze befindet?
Eine Eigenschaft dieses Zustandes wurde hier schon genannt: Die räumliche Kleinheit, die räumliche Minimalisierung. Diese ist aber auch in zeitlicher Hinsicht etwas Besonderes: Diese Besonderheit liegt in der Samenruhe. Wegen des vollen Erhaltes der Entwicklungsfähigkeit des kompletten, lebendigen Organismus ist die Samenruhe eine in der Natur einmalige Substanzqualität, also wesentlich mehr als das, was wir mit den abstrakten Hilfsbegriffen der Zeit und des Raumes umschreiben können. Am ehesten kommt diese Substanzqualität in ihrer umfassenden Rätselhaftigkeit dem Begriff der seelischen Empfindung der Tiere nahe, ja, übertrifft diese sogar noch, denn das instinkthafte und triebhafte Seelenleben des Tieres kennt nur die Ungeduld, nicht aber auch die gehaltene, geradezu göttliche Souveränität der Samenruhe. Gewiss, die Überwindung der Ungeduld ist nur ein Ideal, und noch nicht die volle Realität des menschlichen Seelenlebens. Aber am meisten lernt der Mensch über die göttliche Souveränität der Samenruhe , wenn er schläft und am nächsten Morgen erwachend bemerkt, dass er weiter gekommen ist in Bezug auf seine Fähigkeit, Verantwortung für das eigene Tun zu übernehmen. Gerade dann nämlich, wenn unsere Sinne schweigen und wir im Tiefschlaf sogar vergessen, dass wir ein "Ich" haben, ist diese geistige Instanz im Menschen am machtvollsten. Das wird zwar am nächsten Tage erst offenbar, ist aber eine der unzweifelhaftesten Wahrheiten des menschlichen Lebens. Wenn wir eine gewichtige Entscheidung nochmals "überschlafen", wenn also das "Ich", auf das wir so stolz sind, im Tiefschlaf der Nacht geschwiegen hat, dann kann sein geistiges Wesen erst offenbar werden in der Ruhe und in der Souveränität unserer Entscheidungen!
Einer der ersten, der auf diese Paradoxie des göttlichen Geistes im menschlichen Körper hingewiesen hat, war FRIEDRICH KIPP. Er veröffentlichte 1980 ein Buch mit dem Titel: "Die Evolution des Menschen im Hinblick auf seine verlängerte Jugendzeit". Darin machte er darauf aufmerksam, dass der Mensch im Verlauf der Evolution nicht etwa deshalb zum Erwerb seiner höheren geistigen Fähigkeiten gekommen ist, weil er sich so besonders schnell, sondern gerade umgekehrt dazu, besonders langsam entwickelt: Bei allen Säugetieren ist der zeitliche Verlauf der biografischen Entwicklung abhängig von der Körpergröße: Kleine Tiere werden schnell erwachsen, große Tiere langsam. So erreicht die Maus schon nach 30 Tagen ihre Pubertät, der Elefant hingegen erst mit 15 Jahren. Nun könnte man meinen: Dann ist ja der Elefant, indem er mit 15 pubertiert, dem Menschen am ähnlichsten. Aber weit gefehlt: Der Elefant erreicht diese "Langsamkeit" nur dadurch, dass er 20 Zentner schwer wird! Diese Relationen zwischen Körpergröße und Pubertät werden im Tierreich mit mathematischer Genauigkeit eingehalten. Es muss also der Mensch eine besondere Körpersubstanz ausbilden, um erst mit 15 zu pubertieren, obwohl er dann erst 1 - 2 Zentner wiegt. Diese besondere Substanzialität ist ein Merkmal der Bildeprozesse des menschlichen Körpers, auf das die Anthropologie, die Wissenschaft vom Menschen, erst verwiesen wird, wenn sie auf die 4. Stufe der Metamorphosen der Pflanze blickt.
(Text noch in Bearbeitung. Wird fortgesetzt)
Beiträge zum Fortschritt der Heilkunst
Indem sich meine Entdeckung des Metamorphose-Modus der Enziangewächse fruchtbringend auf Göbels Arbeitsfeld übertrug, enthüllte sich mir auf meinem eigenen Gebiet, dass sogar die Krankheiten des Menschen durch mindestens vier verschiedene Arten der Metamorphose aus der gesunden Konstitution hervorgehen. Die auf diese Art entstehenden Krankheiten können dann entsprechend den dazu passenden Heilpflanzen in die gesunde Harmonie der Bildekräfte zurückgeführt werden. So gelangten wir in einer Zeit der gegenseitigen geistigen Befeuerung endlich dorthin, wo er schon immer sein wollte: Bei einer Arbeitsweise, die den Menschen und die ihn umgebende Natur in einen großen einheitlichen, aber zugleich auch feingliedrig differenzierten ideellen Zusammenhang stellt, aus dem sich in Zukunft vielfältige und doch stets rationelle Heilverwandschaften zwischen dem Mikro- und dem Makrokosmos finden lassen.
Thomas Göbel konnte in dieser Weise vieles zum Fortschritt der Heilkunst beitragen, obwohl sein persönlicher Habitus weit davon entfernt war, sich mühelos dem einzufügen, was die Zunft der Ärzte dankbar entgegen zu nehmen bereit gewesen wäre. Um das psychologische Problem, das er als Mensch in dieser Hinsicht hatte, ein wenig humoristisch-poetisch zu umschreiben, sei auf ein Bild aus der Pflanzenwelt zurückgegriffen:
Wer kennt nicht die wundervolle, andächtig-friedfertige Harmonie, die der Anblick einer Seerose vermittelt! – Doch wahrscheinlich ist nur wenigen vertraut, dass diese so weiche und dekorative Wasserpflanze mit dem Sauerdorn, der Berberitze, als Angehörige der Ranunculales, der Hahnenfußartigen, keineswegs so entfernt verwandt ist, wie dies die jeweiligen , extrem entgegengesetzten Spezialisierungen ihrer vegetativen Organe erwarten lassen:
Die Seerose bildet einen Wurzelstock, der sich in oder auf dem Schlammboden warmer Gewässer flach ausbreitet , und aus bis zu drei Metern Tiefe langgestielte , schwimmende Blätter zur Oberfläche schickt .
Die Berberitze andererseits , die bei uns ihrer roten Früchte wegen gerne als Zierstrauch gepflanzt wird, erträgt und besiedelt von Natur aus als gedrungener, kleinblättriger, holziger und überdies noch dornenbewehrter Strauch die unwirtlichsten, kältesten und trockensten Gebirgszüge Südeuropas, so zum Beispiel auch die Gipfel der Sierra Madre Andalusiens.
Wie die harten Dornen der Berberitze dem Antipathie-Gestus entspringen, den diese Pflanze als Antwort auf widrigste Elementargewalten, vor allem aber auf Trockenheit, Wind und Kälte entfaltet, so ist die anmutig gerundete Fläche der Seerosen-Blätter nichts deutlicher als ein Ausfluss der reinen Sympathie mit dem Kräftespiel, das sich auf der Oberfläche warmer Gewässer an der Grenze zum luftigen Elemente milde vermittelnd darlebt.
Eine feurige Persönlichkeit
Wie mag nun aber eine Pflanze aussehen, deren Sympathie mit der sich spreitenden Wasserfläche sich ins schier Unermessliche steigert?
– Eine mögliche Antwort hierzu könnte sich am Beispiel der größten Seerosen-Art der Welt, der Victoria amazonica, ergeben: Sie wächst in den Uferzonen des Amazonas-Stromes Brasiliens. Ich fand sie am Naturstandort bei Manaus, nahe dem Äquator.
Dort ist der Amazonas viele Kilometer breit, von Süßwasserdelphinen bevölkert, und erreicht, obgleich noch 2000 km von seiner Einmündung in den Atlantik entfernt, bereits die abgründige Tiefe von 120 Metern.
Die Schwimmblätter der Victoria amazonica messen am natürlichen Standort bis zu vier Meter im Durchmesser! Welch übermächtige Sympathie mit der Wasserfläche muss das sein, die solch große Blattspreiten hervorbringt!
- Doch hier zeigt sich der größtmögliche Gegenschlag zur Sympathie einer Pflanze mit der Oberfläche des gewaltigsten aller tropischen Süßwasser-Ströme: Die enormen Schwimmblätter wachsen nicht einfach nur krautig und mastig auf der Wasserfläche zentrifugal nach außen, sondern begrenzen sich jäh mit ihren aufgesteilten Steh-Rändern von bis zu 10 cm Höhe ! – Und, als sei dies die beste Gelegenheit, sich nun plötzlich der Verwandtschaft mit den Berberitzen-Sträuchern auf den Bergspitzen Andalusiens zu erinnern, bedeckt Victoria amazonica ihre straußeneigroßen Blüten-Knospen mit fingerlangen Dornen!
Im Erblühen wird die Knospenhülle als Kelch nach unten geschlagen, so dass ihre Dornen dann im Wasser untergetaucht sind. Und ihre „Armatur“ wird dadurch ergänzt, dass auch die kräftigen Blattnerven der riesigen Schwimmblätter auf ihrer Unterseite solche großen Dornen tragen.
– So arbeitet die Durchdringungs-Metamorphose in der Natur, dass sie sich nicht in der Vermittlung und Mäßigung, sondern als Steigerung der Gegensätze offenbart!
– Und so mag denn dieses Naturbild den vielen traumatisierten Kennern der Persönlichkeit des Thomas Göbel, die eine feurige und zugleich unbequeme war, als poetische Umschreibung seines Wesens dienen:
Die Natur kennt nicht die Ausdehnung bis ins Unendliche ohne den Rückschlag in das Gegenteil! Das ist es ja auch, was der Wirkungsweise der Homöopathie zugrund liegt, und ermöglicht, dass in der Umkehr einer Giftwirkung das Potential zur Heilung der schwersten chronischen Leiden freigesetzt werden kann.
In der irdischen Persönlichkeit des Thomas Göbel begegneten wir, wie es einmal Fritz Marburg mir gegenüber ausdrückte, den bacchantischen Kräften des alten Griechenland, alle in feuriger Sympathie auf einen einzigen Punkt versammelt, - und der schärfsten denkbaren Antipathie zugleich!
Wir mussten damit fertig werden – und müssen auch jetzt mit dem Weggang einer Persönlichkeit zurecht kommen, die so viele von uns zu wecken vermochte.
Thomas Göbel im Tal der Könige, Luxor, Ägypten 1979 (Foto: Uwe Janke)
Thomas Göbel beim Fotografieren eines Baobab-Baumes in der großen Karroo, Südafrika 1976 (Foto: Heinrich Brettschneider)
Wahlarztpraxis
NEU! ONLINE-SPRECHSTUNDE !
Die Arzt-Praxis ist seit 1. August 2019 in Niederösterreich in der
Seilerndorfgasse 8
3874 Litschau (Austria),
Email: heinzbrettschneider21@gmail.com
Mobiltelefon 0043-6706072827
Das Festnetz habe ich aus Kostengründen aufgegeben
Aber Vorsicht! Auch das mobile Telefonieren hat seine Tücken: Wenn Sie mich anrufen, kann es sein, dass ich gerade nicht physisch in der Lage bin, an das Mobil-Telefon herankomme.
Viele Anrufer sind sich auch nicht bewusst, dass auf ihrem Festnetz-Telefon die eigene Rufnummer zumeist unterdrückt ist. Dann wird Ihre Anrufnummer nicht automatisch gespeichert und ich kann Sie dementsprechend nicht sofort zurückrufen, sondern bin darauf angewiesen, dass Sie mir Ihre Rückrufnummer auf den Anrufbeantworter aufsprechen.
Im Prinzip bin ich aber jederzeit ansprechbar, insbesondere natürlich, wenn Sie in Not sind!